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Das „Schwarze Buch”...

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Gouverneur Rockefeller kommt noch gnädig weg: er wird nur dahingehend charakterisiert, daß er „definitiv sich vorgenommen hat, die Vereinigten Staaten zu einem Teil einer — ,Eine Welt” — sozialistischen Regierung zu machen”. Nixon wird einfach als Karrierist gezeichnet. Annehmbar erscheint vielleicht dem Birch- Society-„Führer” der republikanische Senator Goldwater. Goldwater, der nicht ganz von allen guten Geistern verlassen zu sein scheint und sich deutlich darauf vorbereitet, der nächste republikanische Präsidentschaftskandidat zu sein, hat wenig graziös darauf reagiert, angeraten, sich von Leuten wie Welch zu distanzieren und bissig angefügt: „Was es so verdammt schwermacht, den Konservativismus zu predigen, ist, daß seine Exponenten so wilde und dumme Erklärungen abgeben!”

Nicht alle amerikanischen Politiker haben so philosophisch auf Herrn Welch reagiert. Im Kongreß und in der Presse ist stürmisch ein Vorgehen gegen die Gesellschaft verlangt worden.

Bisher hat Bundesstaatsanwalt Robert Kennedy das abgelehnt, obwohl Untersuchungen laufen dürften. Er riet, die Leute dabei zu lassen, sich lächerlich zu machen.

Aber ist die Gruppe wirklich nur komisch zu nehmen? \ iib tic

Man mag daran ernstlich zweifeln. Selbst wenn die extremsten Formulierungen möglicherweise nicht von allzu vielen Leuten wörtlich genommen werden, wird mehr als einer, der mit der Gruppe in Kontakt kommt, sich zweifelnd sagen: „Irgendwo ist ja doch etwas dran — mit der kommunistischen Infiltration der Regierungsstellen ...”

Daß der Society immerhin, wie sich inzwischen herausgestellt hat, Kongreßabgeordnete, ehemalige Regierungsbeamte und vor allem bekannte Industrielle angehören und sogar hohe Geistliche sie öffentlich als „erfreuliche patriotische Organisation” erklären, hebt sie zweifellos auf eine Einflußebene, die in keinem Vergleich etwa mit der Rockwellschen „Amerikanischen Nazipartei” und deren lärmvollen Veranstaltungen steht. Rockwell kann man vielleicht ignorieren, Welch kaum! Daß kürzlich ein General der amerikanischen NATO- Einheiten in Deutschland versetzt werden mußte, weil er in seinem Divisionsbereich die Truppe mit Material der Birch Society „weltanschaulich schulte”, zeigt, daß man nicht nur „Briefe” schreibt, sondern wirklich „aktiv” ist. Der Präsident selbst hat eine Untersuchung angeordnet — aber, heißt es in der Presse, man erwartet nicht, daß die Ergebnisse veröffentlicht werden.

... und das „Blaue Buch”

Es ist durchaus möglich, daß die in den örtlichen „Zellen” zusammenkommenden „Amerikanisten” keineswegs alle das „Schwarze Buch” kennen. Es dürfte nur dem innersten Zirkel zugänglich gemacht worden sein. Aber das „Blaue Buch” wird jedem Anwärter auf Mitgliedschaft vorgelesen, bevor er sich verpflichtet, den darin niedergelegten Zielen zu folgen und dem „Führer” Gehorsam zu leisten. o

Während der „Politician heute sowohl von Welch wie von allen öffentlich interviewten Mitgliedern und Sympathisanten der Gruppe als „private”, die Society nichts angehende Äußerung des Verfassers erklärt wird, besteht kein Zweifel an dem „offiziellen” Charakter des „Blauen Buches”.

Mr. Welch hält nicht viel von der demokratischen Staatsform. Er zieht ihr grundsätzlich eine „Republik” vor. „Demokratie ist eine trügerische Phrase und eine Waffe der Demagogie”. Die Anwärter der Birch-Gesellschaft werden dementsprechend nachdrücklich darauf vorbereitet, daß sie das in erster Linie sind, weil sie — läßt er verlesen — „an mich glauben und an das, was ich tue, und bereit sind, meine Führerschaft zu akzeptieren!”.

Auf 182 Seiten sind Strategie und Taktik der „Amerikanisten” im „Blauen Buch” niedergelegt, das heißt die von ihm bei der Gründungstagung der Gruppe am 8. und 9. Dezember 1958 vor den elf Mitbegründern gehaltenen Referate als verbindlich für die Arbeit noch einmal zusammengefaßt. So scharf er die Idee des Kommunismus ablehnt — den er sehr weit reichend definiert: zum Beispiel nennt er die „Vereinten Nationen die beabsichtigte Kommunistische Internationale” —, so sehr beeindruckt ist er von seinen konspirativen Methoden. Er empfiehlt ihre Anwendung im Gegenangriff: Konspiration gegen Konspiration, Denunziation gegen Denunziation. Er empfiehlt, daß man allüberall örtliche Klubs „übernimmt”, Nachbarn beobachtet, was für Freunde sie haben, und Frontorganisationen, die den Namen der Gesellschaft nicht benutzen, gründet, um die öffentliche Meinung im Kreuzzugsgeist gegen die kommunistische Infiltration zu radikalisieren.

Die Regierung der „New Frontiers” ist von der Weich-Gruppe noch nicht offen denunziert worden. — Formulierungen während der Nominierungsperiode über einen skrupellosen Senator, der mit der Hilfe der Kommunisten zur Macht zu kommen trachtet, vermieden, einen Namen zu nennen.

Der Grund ist klar: inzwischen ist durch „Indiskretionen”, die keiner an Mitgliederzahl zunehmenden Geheimgesellschaft erspart bleiben, das Scheinwerferlicht öffentlicher Diskussion zu grell geworden. Man versucht, „kurz zu treten”. Die respektableren Sympathisanten beginnen sich von den gröbsten Denunziationen zu distanzieren.

Die John Birch Society ist sicherlich keine umstürzlerische Vereinigung in dem Sinne, daß sie eine revolutionäre oder Staatsstreichaktion vorhat. Die Geldgeber aus der Arbeitgebervereinigung würden bei dem Gedanken mit Recht entsetzt sein.

Sie ist eine „antikommunistische Kampforganisation”. Aber wo liegt ihr Kampffeld? Den Herren des Kremls und ihren Genossen in Peking kann sie kaum in der Rüstung eines Sankt

Georg Fehde ansagen: sie agieren zu weit entfernt — in mehr als einer Hinsicht.

Über die amerikanische Kommunistische Partei dürfte das Federal Bureau of Investigation (FBI) mehr wissen als ihre Parteileitung. Der Hilfe der Weich-Gruppe bedarf man bei ihrer Kontrolle ebensowenig, wie die Gegenspionage sie bei der Auf- stöberung von Sowjetagenten nötig hat. Was also kann sie tun — was hat sie begonnen, zu tun?

Sie hat — sich stolz zu diesem Namen bekennend — das Erbe McCarthys auf genommen: dem politischen Rufmord, den dieser monomanische Demagoge als einzelner zu einer zeitweise einen Großteil der Nation einschüchternden Waffe der politischen Erpressung gegen alles, was ihm „links” erschien, geschmiedet hatte, eine organisierte Funktionärschicht geschaffen.

Wenn auch heute vielleicht nur ein paar tausend der angegebenen 100.000 „Amerikanisten” mit den (kommunistischen!) Methoden der Kaderbildung, der „Frontorganisationen”, der Unterwanderung anderer Verbände, der denunziatorischen Anzweiflung nationaler Unverläßlichkeit führender Politiker an tausend Stellen im Land — von unten her — Mißtrauen säen, Verwirrung schaffen, den Willen zum Miteinander schwächen und durch fanatische Überspitzung der Kritik Krisenmomente in der öffentlichen Meinungsbildung systematisch in Panik verwandeln, können sie damit unübersehbares Unheil anrichten. Und 100.000 „geschulte” Gerüchtemacher, die das Vertrauen zur Regierung untergraben, dürften eines Tages kaum noch humoristisch zu nehmen sein. Sollte man ihren Chefs nicht doch früher das Handwerk legen?

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