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Die Umbildung der Regierung Klaus, von der so lange gemunkelt und auch offen geredet wurde, ist Wirklichkeit geworden. Zwar — da diese Zeilen in Druck gehen — ist die offizielle Bekanntmachung über die neue Ministerliste noch nicht herausgekommen, aber soviel ist über die Zusammensetzung der neuen Regierung doch schon durchgesickert, daß die Absichten, die mit dieser Regierungsumbildung verfolgt werden, zu erkennen sind.

Zwei Jahre hat die ÖVP-Regierung hinter sich, zwei Jahre bis zu den nächsten Wahlen noch vor sich. Zwei Jahre, die sie nützen muß, um die nächsten Wahlen so gut wie möglich zu bestehen. Nicht so sehr das Ergebnis des 6. März 1966, das der ÖVP die absolute Mehrheit im Parlament bescherte und sie damit in die Lage versetzte, eine monokolore Regierung zu bilden, war die große Überraschung, sondern die Regierung, die auf diesen Wahlsieg folgte. Österreich ist ein Land, das vielfach eingefahrenen geschichtlichen Bahnen folgt. Auf eine lange barocke Epoche folgt immer eine kurze, schmerzhafte josephinische. Die Einhaltung dieser Gesetze kann man genau für die zwei Jahrzehnte vor dem 6. März 1966 und die zwei Jahre nach diesem Datum beobachten. Die Zeit von 1945 bis 1966 war eine maria-theresianische Zeit, wobei die Regierungen Figl die frühe, kämpferische Maria Theresia darstellten, die Ära Raab die Hochblüte und die Ära Gorbach die müde, späte maria theresianische Zeit. Jedem war klar, daß auf diese Epoche eine josephinische folgen werde. Vor dem 6. März 1966 glaubten viele, daß der ÖVP- Kanzler durch einen sozialistischen Kanzler werde abgelöst werden, da die Sozialisten doch am stärksten das josephinische Erbe Österreichs \ er- walten. Die Entscheidung des 6. März zwang die ÖVP selbst, eine solche josephinische Epoche einzugehen. Die Regierung Klaus, die zustande kam, war die josephinischste, die Österreich seit langem besessen hat. Sie war von einem ungeheuren Arbeitseifer beseelt und von einem Reformwillen, der sich praktisch auf alle Bereiche des politischen Lebens ausdehnte. Sie war die korrekteste, nüchternste und für den äußeren Beobachter auch manchmal langweiligste Regierung, die Österreich seit langem hatte.'

Auf eine josephinische Epoche folgte in Österreich immer eine leo- poldinische. Der Nachfolger läßt im Grunde die Errungenschaften der josephinische Epoche unangetastet und mildert nur die menschlichen Auswirkungen.

Wie Leopold II. nur zwei Jahre regierte, hat auch die leopoldinische Regierung Klaus noch zwei Jahre Zeit bis zur nächsten Wahl. Die neue Ministerliste zeigt, daß diese Regierung gewillt ist, die Errungenschaften der josephinischen Epoche beizuhalten, aber sie zu vermenschlichen.

Die neue Regierung steht nicht nur vor dem Problem, die Wahlen zu gewinnen, sondern auch die nicht sehr rosigen wirtschaftlichen Verhältnisse zu meistern.

Seit Monaten, ja seit ein, zwei Jahren zieht ein Unbehagen durch die Welt. Viele Zeichen deuten darauf hin, daß sich eine Wirtschaftskrise kleineren oder größeren Ausmaßes heranschleicht. Es wäre die dritte Wirtschaftskrise innerhalb der letzten 50 Jahre.

Sie nimmt keinerlei Rücksichten auf bestimmte Regierungsformen. Sie tritt in Großbritannien auf, das eine Labour-Regierung besitzt, sie bricht in Deutschland ein, dessen Schicksale von einer Koalitionsregierung geleitet werden. Die letzten Reden des amerikanischen Präsidenten deuten darauf hin, daß auch in Amerika die Fachleute sich darüber klar sind, daß sie vor schwerwiegenden Entschlüssen auf dem wirtschaftlichen Sektor stehen.

Die Welt ist heute wirklich „one World“ geworden, so daß Österreich alle die Schwingungen der Weltwirtschaft auch erreichen. Das große Kunststück der neuen Regierung wird es deshalb sein, diese negativen Schwingungen aufzufangen, zu dämpfen, zu bremsen und abzubiegen. Der kleine Mann will es noch nicht wahrhaben, daß die hohe Zeit der Wirtschaftsblüte vorbei ist, und alle Einschränkungen, die ihm auferlegt werden müssen, wird er, wenn auch nicht mit Recht, der Regierung zur Last legen.

Die neue Ministerliste, die zwar zur Stunde, da diese Zeilen ge-

schrieben werden, noch nicht endgültig feststeht, aber doch in großen Umrissen bereits bekannt ist, zeigt, daß die Regierung sich dieser Situation sehr bewußt ist. Sie tauschte einen ihrer besten Köpfe, den Finanzminister, aus, dessen Name beim kleinen Mann durch die Reformen, die er durchführen mußte, belastet ist, und gab ihm anderseits den noch wichtigeren Posten eines Nationalbankpräsidenten, der nicht den Gefahren ausgesetzt ist, den ein parlamentarischer Ministersessel immer besitzen wird, sondern stabil ist, aber dennoch einen enormen Einfluß auf die Wirtschaft gewährt. Sie tauschte den Innenminister aus, der durch sein konsequentes Eingreifen gegen echte oder unechte Übergriffe viele verschreckt hatte; sie tauschte den Außenminister aus, der auf jeden Fall nach der Ära Kreisky, wer immer diesem bedeutenden Kopf gefolgt wäre, kein lechtes Spiel gehabt hätte, und will ihn durch einen Berufsdiplomaten ersetzen, der sich bei der UNO einen Namen zu machen verstand und beste Kontakte mit allen Ländern herzustellen vermochte. Anstelle des bisherigen Handelsministers tritt ein Mann, der ein ausgezeichneter Vertreter der Interessen des Gewerbes war. Die Angehörigen des Gewerbes stellen eine wichtige Wählerschichte dar, und diese Schichte wird der regierenden Partei lieber ihre Stimme geben, wenn sie ihren Vertreter in der Regierung weiß und dadurch ihre Interessen geschützt sieht.

Zwei besondere Schwerpunkte der Regierung sind der neue Vizekanzler und der Staatssekretär für Information. Daß die ÖVP ihren Generalsekretär und besten Redner im Parlament als Vizekanzler in die Regierung nimmt, ist ein gewagtes Spiel, denn er wird der ÖVP im Parlament als Debattenredner fehlen. Auch besteht die Gefahr, daß er in diesen zwei Jahren — wie es das nicht schöne Wort sagt — „verheizt“ wird und für spätere Kombinationen, zumindest für eine gewisse Zeit, nicht mehr zur Verfügung steht. Anderseits gibt diese Lösung der ÖVP die Garantie, daß das Team ein sehr straffes Spiel spielen muß. Die Schaffung eines Informations- Staatssekretariates zeigt wiederum, daß die Regierung gewillt ist, ihre Ideen und ihre Handlungen der Öffentlichkeit verständlich zu machen.

Die Regierung Klaus ist von der josephinischen in ihre leopoldinische Epoche eingetreten. Es wird in den nächsten zwei Jahren, die der Regierung noch bleiben, nicht viele Experimente geben können. Aber es wird von diesen zwei Jahren abhän- gen, wie die ÖVP die nächsten Wahlen bestehen wird.

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