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Werbung und nicht Qualität entscheidet

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Das Motto „Kleiner Nutzen, großer Umsatz“ gilt als veraltet. Die gewerbliche Einstellung, der eine persönliche Beziehung der Unternehmer, Angestellten und Arbeiter zu ihren Berufen zugrunde liegt, ist zwar in Österreich dank der konservativen Grundhaltung der Bevölkerung noch lebendig, aber in vielen Staaten des Westens bereits abgestorben. Die alte Maxime, Qualität und vernünftige Preise bilden die beste Propaganda, dürfte endgültig überholt sein, denn man verläßt sich auf eine intensive technische Werbung durch Reklame, Plakate, Inserate, Broschüren und Flugblätter, die wiederum die Selbstkosten kräftig in die Höhe treiben, obwohl die Dauer der Wirkungen höchst fragwürdig erscheint. Anläßlich des ersten internationalen Kongresses der Werbefachmänner in Madrid wurde berechnet, daß EWG und EFTA — somit das freie Europa ohne Irland, Island, Spanien und Griechenland — schon im Jahre 1960 rund 100 Milliarden Schilling für Werbespesen ausgegeben haben, die in allen Staaten als beliebte Steuerabzugsposten anerkannt sind.

Mittlerweile wurden diese „normalen Werbespesen“ längst durch das System der Werbegeschenke erhöht, ganz zu schweigen von den Aufwendungen der jungen Verpackungswissenschaft, die nur die Hülle, aber nicht den Inhalt betreffen. Mit einem Wort, selbst bei sinkenden Handelsspannen sind neue Kräfte am Werk, die in einer abermaligen Erhöhung der Produktionskosten münden, nicht zuletzt 1 durch die am laufenden Band gestallten Forderungen der Arbeiter und An- 1 gestellten, die Teuerungswellen natür- 1 lieh durch höhere Löhne und Gehälter S auszugleichen. Während der Fiskus um seine Steuererträge bangt und weitere { Erhöhungen der Beamtengehälter befürchtet, wird das Wirtschaftsleben von hektischen Sorgen um den künf- - tigen Absatz und die permanente Er- 1 höhung der Selbstkosten beherrscht, die man mit Hilfe einer nochmaligen Beschleunigung des Kreislaufs zu dek- ken hofft. Einen Ausweg aus diesem dämonischen Zirkel, dessen Motor die Teuerung ist, bietet nur ein befristetes Stillhalteabkommen, damit alle Faktoren während eines Jahres in die Lage kommen, überflüssige Belastungen abzubauen, begonnene Arbeiten zu vollenden und den Rahmen für die nächste Zukunft abzugrenzen, um auf diese Weise eine Stabilisierung zu erwirken.

Verringerte Kaufkraft aller Währungen

Jedenfalls ist die Teuerung kein isoliertes Problem Österreichs, sondern eine internationale Erscheinung. Wie aus einer soeben veröffentlichten Statistik der First National City Bank in New York hervorgeht, die alljährlich eine Übersicht über die verminderte

Kaufkraft der Währungen bietet (siehe Tabelle „Teuerung 1962"), wurden im Vorjahr nahezu alle Staaten von der Teuerung heimgesucht. Eine Ausnahme bilden nur Kanada und El Salvador, Griechenland, Pakistan und Australien. In der Periode 1952 bis 1962 hat der Prozeß der chronischen Verringerung der Kaufkraft des Geldes im freien Europa zehn Staaten stärker betroffen als Österreich, nämlich Frankreich, Holland, Großbritannien, Irland, Spanien, Griechenland, Schweden, Dänemark, Norwegen und Finnland. Die „offizielle Teuerung Österreichs“, die das Wiener Statistische Zentralamt an Hand des Index der Verbraucherpreise II für einen vierköpfigen Arbeiterhaushalt fortlaufend berechnet, betrug im Vorjahr 5,1 Prozent. Seinen höchsten Stand pflegt der Index erfahrungsgemäß im Juni und Juli zu erreichen, weil viele Preise bei Beginn der Hochsaison ebenso anziehen wie ‘ in den Wochen vor Weihnachten. f)ie Kritik am Teuerungsindex, er beurteile die tragische Lage des Konsumenten zu optimistisch, ist verständlich. Der Index stützt sich zwar auf 220 Warenposten, aber auf die Konsumerhebung 1954/55, die infolge der enorm gewachsenen Ansprüche als veraltet empfunden wird.

Sonderfall Österreich

Trotzdem bleibt Österreich ein Son- derfall. Verschiedene Industriewaren, darunter Schuhe, Kleidung und Textilien, sind teurer, dagegen Lebensmittel erheblich billiger als im westlichen Ausland, eine Tatsache, die schon an und für sich eine Entspannung bedeutet, obwohl die Agrarpolitik Brüssels nach dem neuen Ultimatum de Gaulles auf eine allgemeine Erhöhung der Lebensmittelpreise im Bannkreis der EWG hinauslaufen wird. Selbstverständlich kann die Paritätische Kommisison die Preis- und Lohnerhöhungen nicht endgültig auf lange Frist verhindern, aber sie kann das Tempo verlangsamen und die gefährliche Bewegung bremsen. Zur „Eindämmung der Teuerung“ benötigt Österreich jedoch die loyale Zusammenarbeit aller Kreise und den Verzicht auf demagogische Kämpfe um parteipolitische Dogmen und Illusionen fernab jeder Realität.

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