Die Koalition der Neider

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Siehe die Schlagzeilen: Da wogt sie wieder – die ewige Schlacht der Gefühle um das Zuviel der anderen und das zu wenige Eigene. Krisen haben es aus Gründen des drohenden Elends an sich, das Schielen nach dem Vermögen anderer Gruppen zu fördern. Längst gekannte und jahrelang im Weichzeichner des Aufschwungs verwischte Unterschiede bringt man da gerade so scharf ans Tageslicht, als wär’s ein Scherenschnitt. Und doch bleibt es beim Schielen – ein Defekt, der sich vor allem in der politischen Bastelstunde der österreichischen Koalitionsparteien breit macht. Da werden Tatsachen gefaltet, verzerrt, gespiegelt und falsch geschnitten – und fertig ist die Botschaft fürs Volk. Den Spielregeln gehorchend rät jeder kleinere und größere Parteifürst, was er denn in seinem Scherenschnitt zu sehen meint. Der eine, der sich als links beschreibt, sieht die Reichen viel zu reich. „Die Rolex oba, das Gel aus die Haar“, schallt es über den Semmering.

Ein anderer, verwurzelt in der „Kraft der Mitte“, sieht Faulenzer, in Massen fett geworden, sich an den Trögen des Sozialstaates mästen. „Leistung muss sich wieder lohnen, deshalb Transferkonto“, ist dröhnend die Botschaft. Und was sagen sie übereinander? Seltsam Deckungsgleiches: Man wirft einander das Schüren einer „Neiddebatte“ vor.

Mit gutem Beispiel voran

Grund genug, in aller Ruhe die politischen Botschaften der Parteien der vergangene Wochen zu durchleuchten. Zunächst einmal zur SPÖ, in deren Wahlkampfreden in Oberösterreich und der Steiermark die Reichen gerne einmal die Armen verraten und in protzigen Villen die nächsten Kündigungswellen planen oder einander Millionen-Boni zuschachern.

Aber wie hält es die SPÖ mit der Verteidigung des Allgemeinwohls in der angewandten Politik? In den Ländern florieren die Parteistiftungen. Die Kontrolle des Skylink-Managements durch den Rechnungshof wäre beinahe erfolgreich verhindert worden. Am kostspieligsten aber dürfte sich für die Steuerzahler die Fortsetzung der Hacklerregelung auswirken, mit deren Hilfe derzeit zahlreiche wohlbestallte Beamte frisch wie der junge Tag ins Altenteil gleiten, „weil das eben so beschlossen wurde“, wie die SP argumentiert. Dieses Pochen auf einer fragwürdigen Entscheidung kostet dem Staat zumindest 500 Millionen Euro bis 2013. Außerdem: mit welchem Recht erwartet die SP von Managern, auf ihre vertraglich zugesicherten Millionenboni zu verzichten, wenn sie selbst auf „Wohlerworbenes“ pocht.

Auf der anderen Seite versichert die ÖVP, dass die „Reichensteuer“ finanziell kaum der Rede wert sei. Wie aber kommt man in der Volkspartei auf die Idee, bei den Sozialschmarotzern und Pfuschern sei mehr zu holen als bei den Reichen? Wenn beide Parteien als Argument für ihre Forderungen die Gerechtigkeit ins Treffen führen, zeigt das bloß die Dehnbarkeit des Begriffes: Die SPÖ versteht darunter Umverteilung, die VP eine abgestufte Leistungsentlohnung.

Die leeren Worte

Sowohl der Neid als auch die Gerechtigkeit sind so gesehen nichts als leere Schlagworte, die je nach Bedarf zur Befestigung der eigenen Stellung oder zum Beschuss der feindlichen Reihen dienen. Dieses abgeschmackte moralische Geplänkel verhindert aber, das wirkliche Problem zu sehen. Nicht der Transferleistungsbezieher sollte das Thema sein, sondern das Steuersystem, das unteren Einkommensgruppen keinen Anreiz gibt, sich nach oben zu arbeiten. Im Gegenteil stempelt es den schlecht bezahlten Arbeitenden gegenüber dem Arbeitslosen zum gutmütigen Idioten. Um das zu beheben, braucht es keine Transferkonten, sondern ein neues Steuersystem, das Arbeitsleistung belohnt – vor allem, wenn sie im unteren Lohnsektor erbracht wird.

Das Merkmal einer außerordentlichen Leistung sei, dass selbst die größten Neider sie loben müssten, sagt La Rochefoucauld. Werner Faymann und Josef Pröll könnten ja einmal damit beginnen, die sinnvollen Ideen des jeweils anderen neidlos anzuerkennen. Den Rest des Lohns würde der Wähler beisteuern.

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