ukraine - © Foto: Daniela Prugger

„Ich vertraue niemandem in der Politik“

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Bei den Regionalwahlen in der Ukraine gehören prorussische Parteien zu den Gewinnern, vor allem im Donbas. Verliert Kiew den Osten sieben Jahre nach der Maidan-Revolution erneut?

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Bei den Regionalwahlen in der Ukraine gehören prorussische Parteien zu den Gewinnern, vor allem im Donbas. Verliert Kiew den Osten sieben Jahre nach der Maidan-Revolution erneut?

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Die Frontlinie liegt nur 50 km von Kreminna entfernt. In dieser Stadt gibt es keine Bars und keine Clubs, nur eine Handvoll Cafés und 20.000 Einwohner in fünfstöckigen grauen Platten. Kreminna hat schon bessere Zeiten erlebt. Im Zentrum erinnert ein Denkmal an die verunglückten Kohlekumpel der Region, dahinter erstreckt sich auf rund 100 Metern die autofreie „Allee der Freundschaft“, an deren Anfang sich eine Apotheke befindet und am Ende ein Pfandleihhaus. Die Menschen in dieser Stadt sehnen sich nach Veränderung.

Deshalb setzten sie bei den Regionalwahlen Ende Oktober dieses Jahres auf einen alten Bekannten: Wolodymyr Struk. Im Jahr 2014 war er Abgeordneter im Parlament, damals als Mitglied der Partei der Regionen, die sich nach der Flucht des ehemaligen Präsidenten Wiktor Janukowytsch auflöste. Struk floh nach Kriegsbeginn auf die von Russland besetzte Krim. Kritiker werfen ihm vor, die prorussischen Separatisten unterstützt zu haben, doch der ukrainische Geheimdienst ermittelte ohne Erfolg.

„Oppositionelle Plattform“

Nun ist Struk zurück, als Bürgermeister von Kreminna. Seine Partei, die „Oppositionelle Plattform“, ist ein Sammelbecken für Politiker, die unter Janukowytsch an der Macht waren, prorussisch und Erstplatzierte in mehreren Orten in der Ostukraine. Viele dieser Politiker waren von der Bühne verschwunden, nachdem im Februar 2014 auf dem Kiewer Unabhängigkeitsplatz ein Protest endete, den die Ukrainer heute als „Revolution der Würde“ bezeichnen. Sie kämpften für mehr Demokratie und weniger Korruption. „Für eine Mehrheit der Ukrainer haben die politischen Veränderungen nach der Maidan-Revolution jedoch keine spürbaren positiven Folgen“, sagt der Kiewer Politologe Wolodymyr Fesenko.

Zwar begann der Niedergang der Schwerindustrie im Donbas vor Kriegsbeginn. Doch die Industrieexporte der Region Luhansk betragen noch sechs Prozent des Volumens von 2013. Und die Errungenschaften von Präsident Wolodymyr Selenskyj, neu asphaltierte Straßen, wiederaufgebaute Brücken und der Waffenstillstand, täuschen nicht darüber hinweg. Der Strukturwandel und die Folgen des seit sechs Jahren andauernden Krieges treffen die ehemalige Kohleregion hart. Die Coronakrise und ihre wirtschaftlichen Auswirkungen verschärfen die Situation zusätzlich. „Ich habe bei der Präsidentschaftswahl für Selenskyj gestimmt. Aber ich bin enttäuscht. Vielen Menschen in dieser Region geht es so, sie werden sich wieder der prorussischen Opposition zuwenden“, sagt Anton Kortyshko.

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