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Reformkurs fur das Parlament

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Das Parlament nähert sich der Endspurtkurve. Der Rahmen der größeren Sachvorhaben wurde von der Regierungspartei abgesteckt und ansonsten wird das Budget 1970 ordnungsgemäß im Herbst 1969 eingebracht und verabschiedet werden.

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Das Parlament nähert sich der Endspurtkurve. Der Rahmen der größeren Sachvorhaben wurde von der Regierungspartei abgesteckt und ansonsten wird das Budget 1970 ordnungsgemäß im Herbst 1969 eingebracht und verabschiedet werden.

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Um so bemerkenswerter ist es daher, daß in den Parteien die Diskussion über parlamentarische Reformen nicht abreißt Vizekanzler Withalm kündigte am Bundesparteirat der ÖVP „ernsthafte Überlegungen“ an (siehe „FURCHE“ Nr. 10). Und mit Recht stellte der junge SPÖ-Klub-sekretär Dr. Fischer kürzlich fest, daß gerade das Ende der Legislaturperiode zu einer Geschäftsordnungsreform des Parlamentes eine Möglichkeit gäbe: einer Geschäftsordnung, „deren Reformbedürftigkeit von niemandem emstlich bestritten wird“. Dr. Erhard Buisek (Jahrgang 1941), bis vor wenigen Monaten Sekretär des ÖVF-Klubs, hatte schon kürzlich einige Rerformüberlegungen langestellt:

• Ist es noch zweckmäßig, scharf zwischen einer Frühjahrs- und Herbstsession zu scheiden, die einer agrarischen Gesellschaftsstrukbur entsprechen? Besonders der Fall außenpolitischer Ereignisse macht die Einberufung außerordentlicher Sessionen dringlich erforderlich.

• Soll der Herbst durch zwei Monate v/irklich nur vorn der Monster-debatte übisr das Budget gefüllt sein, die Nerven und Verständnis der Akteure (vor allem der Regierungsmitglieder, die gleichzeitig Abgeordnete sind) und der Bevölkerung verbraucht? Könnten nicht Ausschüsse größeren Spielraum erhalten?

• Sollte der Parlamentsappärat nicht mehr Grundvoraussetzungen bieten,damit die Abgeordneten leichter und besser Grundlageninformation über die immer komplizierteren Gesetzesmaterien erhalten — etwa durch wissenschaftliches Personal, durch mehr Parlamentsjuristen, durch ein Archiv?

• Müßte nicht die Ordnungsgewalt des Präsidenten erheblich gestärkt werden? Abgeordnete, die auch nach drei Ordnungsrufen noch immler stören, könnten von der weiteren Sitzungsteilnähme ausgeschlossen werden (Dr. Fischer).

• Müßte nicht einiges unternommen wenden, eine Waffengleichheit zwischen Regierungs- und Parlamentsmitgliedern zu sichern? Der Minister müßte sich auch gegen Zwischenrufe wehren dürfen — und der Abgeordnete sollte auch zu Wortmeldungen der Minister in jeder Phase der parlamentarischen Verhandlungen Stellung beziehen können.

• Untersuchungsausschüsse sollten erleichtert, Enqueten des Parlaments (mit Fachleuten) durchführbar gemacht werden, die Praxis der Aus-schußberatungen legalisiert werden.

' Dies alles steht zur öffentlichen Diskussion. Wird angesichts größerer Publizität durch Direktanwesenheit von Rundfunk und Fernsehen im Rahmen einer freiem Berichterstat-tung das Interesse der Staatsbürger wachsen, so wird das Parlament noch mehr zu seinem Selbstverständnis tun müssen* Sicherlich sind die derzeitigen Machtverhältnisse so gelagert, daß unterschiedliche Interessen im Falle solcher Reformen bei den beiden großen Parteien betroffen sind. Nur wäre es verfehlt und würde auf Unverständnis stoßen, sollte aus Bequemlichkeit keine Berteitschaft bei der Masse der Parlamentarier bestehen, die als Demokrartiierefonn angekündigte Offensive von Ex'jer-ten beider Seiten voranzurtreibeu. Odler stimmt es, was Klubohmann Dr. Piittermanrn einem ÖVP-Spit-zenpoütiker angekündigt hat: daß die Opposition aus optischen eirunden bis zu den nächsten Wahlen überhaupt. keine gemeinsamen Aktionen mit der Regierungspartei im Parlament unternehmen könne — daß also eine Blockade überall dort wirksam werden wird, wo qualifizierte Mehrheiten eime Zustimmung der SPÖ erfordern? Stimmt es weiterhin, daß die ÖVP zwar viel und laut von „schockierenden“ Maßnahmen spricht, aber bereits intern abgeklärt hat, daß von Haus aus gar keine parlamjewta-rischen Maßnahmen im Bereich der DemokmaMereform mehr erwogen werden — um nicht unnötig Sand in das ausgewogene Räderwerk zwischen Bünde und Länder zu streuen? Eine Chance wäre vertan. Die „Augenauswischerei“ eines sich selbst entfremdenden ' Parteiensystems wäre allzu offenkundig.

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