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Drei Literaturwissenschaftler blicken nach Deutschland, Frankreich und Italien, um der österreichischen Literatur einen kritischen Spiegel vorzuhalten.

Die "Blicke von außen" auf die österreichische Literatur sind Blicke von halb-außen, denn das Autoren-Trio besteht aus einem Deutschen, der seit Jahrzehnten in Wien arbeitet, und zwei Österreichern, die in Rom bzw. Paris leben. "Österreichische Literatur im internationalen Kontext" verspricht der Untertitel, aber die Internationalität beschränkt sich auf Deutschland, Italien und Frankreich. Drei Nachbarstaaten also, aus deren Perspektive die österreichische Innensicht relativiert werden soll, und wieder einmal kommt nur der alte "Westen" zum Zug. Sollte nicht wenigstens eine der großen Literaturnationen Ungarn, Polen oder Tschechien vertreten sein oder traut man denen die Relativierung österreichischer Selbstbespiegelung nicht zu?

Deutsches Desinteresse

Zuerst haben die Herren ein Vorgespräch protokolliert - eine Hürde, von der man sich nicht abschrecken lassen sollte, denn das Buch wartet mit interessantem Material auf. Doch zuvor feuert Franz Haas noch ein paar gezielte Breitseiten gegen den "österreichischen Solipsismus" ab: Im Gegensatz zur "Verösterreicherung der deutschen Literatur" der siebziger Jahre sei es im letzten Jahrzehnt zur "Verösterreicherung der österreichischen Literatur" gekommen - sie beschäftige sich nur mehr mit österreichischen Themen bzw. mit sich selbst. Vor allem aber sieht Haas in den Medien reine "Österreichhuberei" im Gang: das Spectrum der Presse sei ihr Zentralorgan, Der Standard auch davon angekränkelt und selbst Literatur und Kritik nicht frei von antideutschen Ressentiments. Die Mediensituation, die den starken Österreich-Bezug der österreichischen Literaturkritik konstituiert, wird jedoch verschwiegen: Dass alle österreichischen Zeitungen praktisch nur in Österreich gelesen werden, während jeder österreichische Intellektuelle auf die großen deutschen Zeitungen und die "Neue Zürcher" angewiesen ist. Daher wird jeder verantwortliche Literaturredakteur einen Österreich-Schwerpunkt setzen, um der Literatur dieses Landes eine minimale Diskussion zu sichern und ihrer oftmaligen Vernachlässigung durch deutsche Medien gegenzusteuern.

Aus deutscher Perspektive ironisiert Hermann Schlösser die "Österreich-Erklärer" seit dem Jahr 2000, ohne sie mit den "Deutschland-Erklärern", die nach 1989 Wende und Wiedervereinigung thematisierten, zu vergleichen. Dass die österreichische Literatur in Deutschland immer weniger Resonanz findet, liegt nach Schlösser vor allem daran, dass in Österreich "eine staatlich anerkannte Avantgarde" entstanden sei, während vergleichbare Strömungen in anderen Ländern bereits mit dem Anschein des Veralteten umgeben sind".

Frankreichs Kritik

Sieht Schlösser Österreich kritischer als Deutschland, ist Klaus Zeyringers Beitrag mit kritischen Spitzen auch gegen Frankreich gespickt. An der radikalen Wende der Einstellung zu Österreich nach der Waldheim-Wahl 1986 wird die Oberflächlichkeit der intellektuellen Moralapostel Frankreichs, ihre Detail-Unkenntnis in Geografie und Geschichte und oft schon in der Schreibung von Autorennamen kritisiert. Resümee: In Frankreich kann man auf der Beststellerliste stehen und gleichzeitig von der Kritik geschätzt werden und sind verschiedene Schreibweisen nebeneinander anerkannt; zudem ist die französische Kultur wesentlich stärker selbstbezogen: auf den Bestsellerlisten sind "wesentlich mehr französische Autoren zu finden als in Deutschland deutsche oder in Österreich österreichische".

Italiens Lesegewohnheiten

Reduziert sich die österreichische Gegenwartsliteratur in Frankreich auf Handke, Bernhard und Jelinek, so konnte letztere in Italien nicht wirklich reüssieren, berichtet Franz Haas. Dort finden die germanistische Rezeption und die Editionen österreichischer Literatur in Kleinverlagen unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Der Einblick in die italienischen Lesegewohnheiten ist interessant, aber wo sie der österreichischen Gegenwartsliteratur tatsächlich entgegenstehen oder nur mobilisiert werden, um eigene ästhetische Urteile zu untermauern, ist nicht immer deutlich - ein Schwachpunkt aller Beiträge. Und eines können sich die Autoren nicht erklären: Warum Frankreich andere politisch-moralische Maßstäbe an die österreichische Literatur seit Schwarz-Blau als an die italienische seit Berlusconi anlegt. Wer nicht auf die Idee kommt, das könnte mit der Nazi-Okkupation von Frankreich zusammenhängen, steht im Verdacht, selbst vom ÖsterreichSolipsismus angesteckt zu sein. Doch trotz aller Einwände: Es sind spannende Blicke auf die österreichische Literatur, die diskutiert werden sollten.

BLICKE VON AUSSEN

Österreichische Literatur im internationalen Kontext. Von Franz Haas, Herman Schlösser und Klaus Zeyringer.

Haymon-Verlag, Innsbruck 2003.

203 Seiten, kart., Euro 22,70

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