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Vorbildlich erfiillter Auftrag

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In den Hungerwochen der Nach-. kriegszeit gab es auf wirtschafflichem Gebiete fur die osterreichische Bauernschaft zuerst und vor allem einen Auftrag: Erzeugungssteigerung mit alien Mitteln. War doch die Sicherung der Ernahrung Grundvoraussetzung fur jeglichen weiteren Wiederaufbau.

Die Bauern sind ihrem Auftrag in vorbildlicher Weise nachgekommen, haben den allgemeinen wirtschaftlichen Wiederaufbau grundlegend mitgestal- tet und wurden schlieBlich — Schick- sal der Landwirtschaft in der Industriegesellschaft — selbst in den Schatten der allgemeinen Wirtschaftskonjunktur gedrangt. Diese, mit geradezu natur- gesetzlicher Konsequenz in der zu- nehmend industrialisierten Welt in Er- scheinung tretende Tatsache, die kon- form geht mit wachsender wirtschaft- licher und sozialer Besserstellung der groBen Masse der Arbeitnehmer in der gewerblich-industriellen Wirtschaft, stellt Landwirtschaft und Bauerntum und nicht zuletzt die verantwortlichen Vertreter der Bauernschaft vor neue groBe Aufgaben, die sie nur im Zu- sammenwirken mit einer verstandnis- vollen Haltung der gesamten Bevolke- rung und der breiten offentlichen Meinung erfiillen kbnnen. Die Agrar- gesetzgebung der vergangenen Jahre, der Kampf um die Verwirklichung des Landwirtschaftsgesetzes, all das sind Etappen auf einem Weg, dessen Ziel- setzung im Laufe der Zeit und nicht zuletzt durch die Fortschritte in der europaischen Wirtschaftsintegration zwar verschiedentlich leichte Umdeu- tungen erfahren hat, der aber nach wie vor — in Osterreich ebenso wie im iibrigen Europa — in seiner Grundhal- tung die Sicherung freier und gesunder bauerlicher Familienbetriebe anstrebt.

Bei der gegebenen politischen Kon- stellation, der in starker Wandlung begriffenen Bevblkerungs- und Berufs- struktur in Osterreich, die Hand in Hand geht mit einer zunehmenden Verstadterung der Lebenshaltung und Denkweise. war und ist es oft sehr schwer, den Anliegen und Wiinschen der Bauern — wenngleich ihre Erffil- lung weithin und auf Dauer gesehen im Interesse der Allgemeinheit gelegen ist — rasch zum Durchbruch zu ver- helfen. Hier mag sich auch eine ge- wisse politische Taktik auswirken, die damit spekuliert, daB eine Unzufrie- denheit der Bauern sich vielleicht doch eines Tages gegen die Bauernfiihrung wenden wiirde und auf diese Weise in den starken Block der einigen Bauern und damit in eine tragende Saule der Osterreichischen Volkspartei eine er- weiterungsfahige Bresche geschlagen werden konnte.

Uncrschiitterliche Einigkeit ■

Spekulationen dieser Art haben bisher allerdings keine Erfiillung gefun- den. Im Gegenteil. Wie immer in schwierigen Situationen, schliefien sich die Bauern noch fester zusammen. Quer dutch Osterreich, vom Bodensee bis zum Neusiedler See, beweisen die Landwirtschaftskammerwahlen immer wieder aufs neue, daB auch die zahl-

um so weniger, als nun die mit der Auswertung der letzten Volkszahlung beschaftigten Statistiker bereits vor- laufige Ergebnisse bekanntgeben, die wahrhaft aufhorchen lassen. Was man bisher nur ahnte und vermutete, wird nun statistisch unmifiverstandlichunter- mauert: Wahrend die Stadte weiter wachsen, geht die Bevblkerung in den kleinen Landgemeinden mit vorwie-

strebigkeit liegen, wie es dem Bauern- bund gelingt, der Bauernschaft ideologisch, politisch und wirtschaftlich in der modernen Industriegesellschaft einen neuen Standort und eine wiirdige iHeimstatt zu schaffen. Dabei mufi den gegebenen Verhaltnissqn und den zu erwartenden Entwicklungstendenzen in realistischer Weise Rechnung getragen werden. Das Rad der Zeit kann man nicht stillhalten, und schon gar nicht zuriickdrehen. Der berechtigte Kampf gegen einen iibersteigerten Materialis- mus wird ganz bestimmt nicht mit Hilfe einer iiberlebten Blut- und Bo- denromantik zum Siege gefiihrt.

Von der Landflucht zur Stadtnahme

Bauerliche Klein- und Kleinstbetriebe ohne Spezialisierungs- oder Neben- erwerbsmoglichkeiten werden auf die Dauer weder dutch gutes Zureden und verschiedentliche Hilfen noch dutch Zwang aufrechterhalten werden kbn- nen. Die Strukturbereinigung ist ja bereits in vollem Gange, die Landflucht in absehbarer Zeit kaum einzu- dammen. Aufgabe der Bauernfiihrung, einer klugen Parteipolitik, aber auch einer weitblickenden Staatspolitik ist es nun, die lebens- und zukunftskraf- tigen Bauernbetriebe in ihrem Bestand zu sichern, den gefahrdeten Wirtschaf- ten, soweit es geht, Aufstockungs-, Umstellungs- und (in Zusammenarbeit mit den iibrigen Wirtschaftszweigen) Neben- beziehungsweise Hauptberufs- mbglichkeiten zu schaffen. Dort, wo eine weitere Landflucht nicht zu ver- hindern, beziehungsweise eine Verhin- derung auf langere Sicht auch nicht zu verantworten ware, geht es entscheidend darum, aus einer planlosen, soziologisch und politisch gefahrlichen eine planvoile (nicht planwirtschaft- liche) Veranderung der landlichen Wirtschafts- und Bevolkerungsstruktur und eine zielstrebige Stadtnahme werden.

Eine konsequente Verfolgung dieser Politik wird zweifellos groBe Schwie- rigkeiten bringen und hochste An- strengungen erfordern. Man wird ihr bewufit und unbewufit falsche, ja sogar bauernfeindliche Motive unterschieben. Und doch liegt in einer solchen offensiven Bauernbund- politik der Schlussel fur die Zukunft des Bauernstandes der Osterreichischen Volkspartei und fur eine gesamtstaatliche Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung; ihn nicht finden und ihn nicht beniitzen hiefie, die Augen vor Tatsachen verschlieBen und anderen Kraften den Vortritt lassen.

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