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Die Geschichte der indischen Philosophie

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Pas handliche und elegante Format läßt nicht vermuten, daß hier eine wissenschaftliche Leistung vollbracht wurde, die früher in den üblichen, großangelegten und fast klassisch gewordenen „Handbüchern" ein Unterkommen gefunden hätte. Die Zeiten haben sich jedoch geändert, besonders in-Oesterreich, und der Verfasser sah sich genötigt, eine Darstellung „für weitere Kreise" zu bringen, was natürlich die notwendigen Kürzungen und wissenschaftlichen Opfer zur Folge hatte. Wir diese Nöte kennt, kann die Leistung des fähigen Indologen nur noch mehr bewundern, und selbst wenn die Form des „Handbuches" den Qualitäten und Intentionen des Verfassers mehr entsprochen hätte, so möchte man ihm versichern, daß er mit diesem Werk, das die Zusammenfassung 30jähriger Vorarbeiten darstellt, sowohl der Wissenschaft als auch breiteren Leserkreisen einen sehr großen Dienst erwiesen hat und daß seipe Befürchtungen, sein Werk könnte „weniger anregend und mühsamer zu lesen sein“, unbegründet sind.

Der Verfasser hält mit Recht an der Methode fest, das indische Denken nicht durch wesens- fre’mde Philosopheme zu deuten oder durch Parallelauffassungen der westlichen Philosophie zu’ erläutern, sondern die indischen Lehrer so vorzuführen, wie sie sind, „zu zeigen, was sie bewegte und wie sie die Fragen in ihrer Weise stellten und auf ihre Art zu beantworten suchten". Daß dadurch manche Seite ein Uebermaß an technischen Ausdrücken aufweist, scheint der Verfasser selbst befürchtet zu haben, aber wer sich mit dem Werk angefreundet hat, wird diese Arbeitsweise nur noch begrüßen können. Zieht man . trotzdem eine moderne „Würdigung" der indischen Philosophie vor, so findet man diese in der ausgezeichneten, 37seitigen Einführung von Pröf. Leo Gabriel.

Das Werk, das mehrere Bände umfassen wird, stellt den erstmaligen Versuch dar, die ganze indische Philosophie von ihren Anfängen bis zur Gegenwart in ihrer Entwicklung zu schildern. Der erste Band behandelt die Philosophie des Veda und des Epos, den Buddha und den Jina, das Samkhya und das klassische Yoga-System und reicht somit bis tief in das 6. Jahrhundert n. Chr. Der Verfasser hat eine sehr gut lesbare Form gewählt, so daß er auch für einen weiteren Leserkreis verständlich bleibt; auch versteht er die Kunst, den inneren Zusammenhang jedes einzelnen Systems sowie dessen Beziehungen und Unterschiede zu den folgenden Perioden klarzustellen, ohne das Bild zu verzerren. Ausgezeichnet ist zum Beispiel die Art, wie die mündliche und schriftliche Ueberlieferung skizziert und dann in die nachfolgenden Ausführungen verarbeitet wird. Die kritische Einstellung bezüglich der philosophischen und religiösen Lehren des Buddha verdient ebenfalls Anerkennung. Jedem Kapitel geht ein kurzer Ueberblick über die äußere Geschichte und Literatur voran, während jeweils am Schluß eine prägnante Zusammenfassung folgt. Im Anhang findet man den wissenschaftlichen Apparat, an erster Stelle die Quellen, Texte, Uebersetzungen und die allgemeine Bibliographie, ferner literar- kritische Einführungen und schließlich Anmerkungen, Belegstellen und weitere reichhaltige Literaturnachweise. Ein Index schließt das Ganze ab.

Man möchte die Ankündigung dieses vorzüglichen Werkes beim Erscheinen des ersten Bandes nicht mit einigen kritischen Bemerkungen oder einer Wunschliste belasten, sondern Verfasser und Verleger zu dieser Veröffentlichung gratulieren. Oesterreich kann stolz darauf sein, daß es diesen Indologen besitzt, um so mehr wundert sich der ausländische Rezensent über die Bemerkung des Autors, daß „in Wien die Indologie in beispielloser Weise vernachlässigt ist" und daß nach 1945 „das Fach an der Universität aufgelassen wurde". Aber ein Ausländer kennt die Hintergründe nicht, und übrigens: wozu gibt es Briefe an den Herausgeber? Prof. DDr. Nico Greitemann

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