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30 Jahre Zweite Republik: Ein Frieden mit Ventil

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Konsens und die Zweite Republik - nicht das Geschenk einer Sternstunde.

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Konsens und die Zweite Republik - nicht das Geschenk einer Sternstunde.

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Nicht ohne eine gewisse Symbolik fand die Eröffnung der Ausstellung „30 Jahre Zweite Republik Österreich“, deren Bedeutung als eines der wesentlichsten Ereignisse dieses Universal-Jubiläumsjahres schon jetzt zu erkennen ist, zwar mit prominenter Besetzung, aber an kaum auffindbarer Örtlichkeit statt.

Im Herbst wird der 35 Meter lange Saal im Labyrinth der österreichischen Nationalbibliothek, in dem die nun fünf Jahre alte Gesellschaft Pro Austria ihre 6500 Bände starke Freihandbibliothek und ihr Austriaca-Stuidierzentrum mit 80 Arbeitsplätzen eingerichtet hat, weniger unbekannt sein. Denn tausende Schulkinder werden dann diese Ausstellung besucht haben und ihr, soweit sie Glück mit ihren Lehrern (oder Eltern) haben, eine Vertiefung und vor allem Differenzierung ihres Österreichbewußtseins verdanken.

30 Jahre Zweite Republik — es gab verschiedene Möglichkeiten, dieses Thema anzupacken. Die Gestalter der Ausstellung (Hofrat Georg Wagner als Generalsekretär der Pro Austria und Leiter der Österreichsammlung an der Nationalbibliothek, Frau Archivoberrat Benna und Amtsrat Sagl) stellten sie gemäß der Pro-Austria-Zielsetzung unter den Generalnenner des Consensus Austriacus. Die grundlegenden Absichten von Pro Austria: Erforschung und Förderung der österreichischen Bundesstaatsidee und des Länderanteiles am Gesamtstaat, Stärkung des österreichischen Nationalbewußtseins, Förderung einer schöpferischen Neutralitätsgesinnung, und Festigung des Consensus Austriacus, der als Geist des Einvernehmens und der Zusammenarbeit zwischen den staatstragenden Kräften formuliert wird.

Kernstück der Ausstellung sind jene 22 Vitrinen, in denen, wenn man es so sagen darf, die positive, die freundliche Seite der österreichischen Staatswerdung seit 1945 zum Vorschein kommt. Und dies, durch die Beschränkung auf einen doch recht knappen Raum, in einer kompakten, überaus eindrucksvollen Art und Weise und unter Herstellung überraschender Querverbindungen. Das krasse Nebeneinander scheinbar nicht zusammengehörender Dokumente provoziert Assoziationen, regt zum Denken an. Der Weg dieses Denkens ist vorgezeichnet: Zur Neutralität als einem logischen Produkt unserer Geschichte.

Die Schwierigkeiten dieses Weges aber werden nicht in den Vitrinen, sondern an der Längswand des Saales deutlich gemacht. Ein raffiniertes, ein durchaus pädagogisches Gestaltungsprinzip: In den Vitrinen herrscht die (relative) Ruhe abgeklärter Geschichte, an der Wand aber wird noch gekämpft. Denn hier hängen, in hartem Nebeneinander, Wahlplakate der österreichischen Parteien, die Zeugnisse der Nationalratswahlschlachten der ersten Jahrzehnte der Zweiten Republik.

Mit welchen harten Bandagen ÖVP und SPÖ einander vor allem in den 20 Jahren der Großen Koalitionen in den Wahlkämpfen begegneten, wird manchmal vergessen oder verdrängt, und es tut gerade am Vorabend einer neuen Wahlschlacht gut, sich wieder vor Augen zu führen, welches Ausmaß an harter Auseinandersetzung zwischen zwei staatstragenden, im Grundsätzlichen einigen Parteien möglich ist. Oder umgekehrt: wieviel Consensus sich hinter Auseinandersetzungen verbarg, die am jeweiligen Gegner kein gutes Haar zu lassen schienen.

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