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Alle jammern um Dr. Fuentes
Die Gewerkschaftswahlen sind über die spanische Bühne gegangen, das große Feilschen und Debattieren um den Verfassungsentwurf soll nunmehr anheben, das Kabinett Suärez hat seine erste bedeutende Krise erlebt. Gerüchteweise war allerdings schon des längeren von einer Krise die Rede gewesen, doch waren die Dementi, die das bestritten, geradezu glaubhaft. Dann aber erfolgte die Demission des Stellvertretenden Ministerpräsidenten Dr. Enrique Fuentes Quintana, der für wirtschaftliche Fragen zuständig gewesen war und der den Plan für jene Reformen entworfen hatte, die das Land angeblich aus seiner schwierigen Lage hätten herausführen sollen. Pannen bei der Abstimmung der einzelnen Wirtschaftsministerien des Kabinetts untereinander, die Weigerung aber auch der großen und kleinen Unternehmer, an einer Reform mitzuwirken, deren sprachliche Formulierungen rechtsradikal klangen, deren Inhalt sich jedoch als linksradikal herausstellte - all das veranlaßte den Professor, Fachmann und Minister, sich von der Verantwortung zurückzuziehen.
Seine Demission war jedenfalls Anlaß für eine teilweise Umbildung des Kabinetts in den Bereichen Industrie, Energiebeschaffung,
Transportwesen, Landwirtschaft und Arbeit. An die Stelle der demissionierenden Minister traten Agu-stin Rodriguez, Salvador Sänchez, Jahne Lamo und Rafael Calvo; alles Mitglieder der Zentrumsunion und enge Mitarbeiter und Freunde des Ministerpräsidenten Suärez. Ihr Eintritt ins Kabinett bedeutet eine Stärkung des konservativen Flügels innerhalb der Partei.
Die Reaktionen der politischen Parteien auf die Kabinettsumbildung waren dementsprechend widersprüchlich. Im allgemeinen zeigte sich das rechte Lager befriedigt, das Unke zurückhaltend, beiden gemeinsam aber war das post-hume Wehgeschrei um den zurückgetretenen Dr. Fuentes, dem jetzt unisono große organisatorische Fähigkeiten nachgesagt werden, zugleich jedoch, aus einander widersprechenden Gründen, zu geringe Regierungserfahrung und mangelnde Unterstützung von jeweils der anderen Seite.
Die neuen Minister ihrerseits beeilten sich, auf die Einhaltung des vielgenannten Sozialvertrags, des „Paktes von Moncloa“, zu pochen. Immerhin geht es nämlich jetzt nicht nur um die Mitarbeit der Gewerkschaften, sondern auch der Basis, der Arbeiter selbst. Die Gewerkschaftswahlen haben zwar den (kommunistischen) Comisiones Obreras einen Triumph über die (sozialistische) Union General de Trabajadores ermöglicht, doch brachten sie zugleich das durchaus ernstzunehmende Auftauchen einer dritten, unabhängigen Gewerkschaft. Es wäre nicht unlogisch, wenn die regierende Zentrumsunion diesen Unabhängigen zwecks Ausbalancierung der Kräfte in Hinkunft alle Unterstützung gewähren würde. Schließlich ließe sich auch der personelle Wechsel im Arbeitsministerium ohne weiteres in diesem Sinne auslegen. Nach allgemeiner Ansicht setzt die Lösung der spanischen Wirtschaftskrise einen ehrlichen Willen aller Kräfte zur Zusammenarbeit ebenso voraus wie den Kampf gegen die euphorische Verschwendungssucht im staatlichen wie im privaten Bereich, vor allem aber eine Steigerung der wirtschaftlichen Produktivität. Und das wieder bedeutet Dialog, Solidarität und Geduld - drei Tugenden, die Spaniens junge Demokratie offenbar erst lernen muß.
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