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Amerika: Quo vadis?

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Das schwarze Amerika — vom Sklavenhandel in Afrika bis zur Ermor-cflJiOg Aön’Martin lAithfe King —, das ist das Thema, dem Frederik Het-mann in seinem erregenden Buch nachgeht. Ein langer Weg schamloser Ausbeutung, Unterdrückung und Mißachtung der Neger in Amerika von selten der Weißen. Eine lange Zeit des Hinnehmens allen Terrors, aller Willkür, unterbrochen von wenigen Revolten, die von Anbeginn zum Scheitern verurteilt waren. Die konträre Entwicfcling in den Nord- und Südstaaten, der Bürgerkrieg und seine durchaus nicht immer positiven Folgen für die Neger. Schließlich, in den letzten Jahrzehnten, ernsthafte Emanzipationsbestrebungen, der Kampf um die Bürgerrechte, an dem sich viele einsichtige Weiße beteiligen. Vorbei die Zeit des alten Negersprichwortes: „Ich werde Gott vertrauen und warten, bis die Veränderung kommt.” Die neue Devise lautet: „Statt länger das hinzunehmen, was man uns antut, sollten wir lieber kämpfen…” (Martin Salomon).

Letztes Stadium der EntwicMung: Nach dem Scheitern gewaltloser Aktionen, die Gleichiberechtigung der schwarzen Bevölkerung Amerikas durchzusetzen, nicht nur auf dem Papier, sondern tatsächlich: riots in den Gettos, Bildung militanter Negerorganisationen, Aufkommen nun auch eines schwarzen Rassismus, vor allem aber eines schwarzen Selbstbewußtseins. ,31ac: is beautlM…” Hetmann war 1968 in den USA und bekannte danach in einem Interview: „Ich sah die Schikanen denen schwarze Juigendliche immer wieder durch die Polizei ausgesetzt sind. Ich begriff die Wut der Menschen, die nur wegen ihrer Hautfarbe von vornherein immer als potentielle Verbrecher angesehen werden. Ich sah kleine extreme Gruppen der Neger für den Guerillakrieg im Dschungel der Städte proben. Mir wurde Angst vor der Gewalt, die da aufwächst und die täglich von Weißen ihre neue Berechtigung eihält…”

Ich war im HeriDSt des vergangenen Jahres auch in den USA und könnte den Katalog beängstigender Symptome um weitere bereichern. Hetmann übertreibt nicht. Eine Kette von Sdiuld gegenüber den Negern In Amerika zieht durch Jahrhunderte, und jetzt beginnen sie zurückzu-scJilagen. Eine Katastrophe wird da heraufziehen, wenn sich die weiße amerikanische Gesellschaft nicht bald entschließt, die schwarzen Massen der Gettos aus Elend und Rückständigkeit zu befreien. Die jetzt herrschende Generation ist kaum bereit zu einem solchen sehr kostspieligen EntwiddungspKugramm, das zudem eine Bewußtseinsänderung voraussetzt; die Überzeuigung nämlich, daß nicht die Hautfarbe über Wert und Ansprüche eines Menschen entscheidet. Ein Großteil der amerikanischen Jugend hat diesen Gesinnungswandel längst vollzogen; aber diese jungen Menschen sind in ihrem Lande beinahe so machtlos wie die diskriminierten Neger. Wenn man zum Rassenproblem die faschistischen und chauvinistischen Tendenzen der herrschenden Schicht und des amerikanischen „Normalbürgers” hinzunimmt — wahrlich eine beängstigende Situation, die auch uns Europäern, die wir ja in die Machtsphäre der USA mit einbezogen sind, nidit gleichgültig lassen dürfte. Die Quellen unserer Information über Amerika sind oft sehr einseitig. Hetmann erweitert die Perspektiven

DAS SCHWARZE AMERIKA. Von Frederik H etmann. Verlag Herder, Freiburg-Basel-Wien, 1970. 416 Seiten, DM 20.—.

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