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Demokratie ist der Weg
Es wäre zu bequem, wollten wir in stolzer Genugtuuung darüber, daß diese gemeinsame Gedenkstunde möglich ist, vermeinen, daß das gesellschaftliche Zusammenleben in unserer Republik für uns und für jene, die nach uns kommen, zwangsläufig in jene sicheren Bahnen gelenkt wäre, aus denen es nie mehr einen Rückfall in die Totalität eines politischen Systems, nie mehr einen Rückfall in eine Diktatur und auch nie mehr die Gefahr eines Bürgerkrieges geben könne.
Die Politikergeneration des Jahres 1945 hat unter schweren äußeren Begleitumständen, jedoch getragen und gestützt von der überwältigenden Mehrheit des österreichischen Volkes und aufbauend auf der Bundesverfassung aus dem Jahre 1920 in der Fassung der Verfassungsgesetz-Novelle 1929, den Weg eines demokratischen Zusammenlebens vorbestimmt.
Gehen muß diesen Weg gelebter Demokratie jede Generation für sich und aus eigenem Willen und eigenem Entschluß. Jede Generation trägt daher nicht nur für sich, sondern auch für die Nachgeborenen ein großes Maß an Verantwortung, das nicht nur auf jenen lastet, die im politischen Mandat stehen, sondern auf allen Mitbürgerinnen und Mitbürgern ...
Die Generation, welche 1945 die Last des Wiederaufbaues und der Wiedereinrichtung einer demokratischen Republik Österreich getragen hat, ist mit der Absicht ans Werk gegangen, Irrtümer und Fehler der Vergangenheit zu vermeiden. Sie hat es wegen der in den politischen Parteien bestehenden, sehr klaren und einander widersprechenden Auffassungen bewußt unterlassen, einen Konsens über Schuld, Mitschuld oder ' Schuldlosigkeit des einen oder des anderen politischen Lagers herbeizuführen.
Auch das 50jährige Gedenken des Februar 1934 scheint rhir nicht seinen Sinn darin zu haben, daß nunmehr mit der Autorität des Bundespräsidenten oder eines anderen staatlichen Organes Schuld oder Freispruch der damaligen politischen Kräfte für eine dunkle und die Menschen bedrük-kende Zeit unserer Geschichte verkündet werde.
Die Erfahrung zeigt zudem, daß geschichtliche Schuldsprüche gar manchmal den Machtverhältnissen und dem Zeitgeist jener Zeit, in der sie gefällt werden, näherkommen als der Wahrheit.
So mag es wohl stimmen, daß es in der Geschichte kaum eine Objektivität und daher auch kaum ein gerechtes Urteil gibt. Nur Strafe gibt es und diese ist über unser ganzes Volk und über unsere Republik gekommen.
Aus der Rede des Bundespräsidenten anläßlich der Gedenkstunde am 11. Februar im Parlament.
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