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Der sanfte Weg mit Fragezeichen

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Eine programmatische Basis der Grünen in Österreich existiert auch im „ureigenen“ Umweltbereich nur in Ansätzen und wird derzeit in Zeitschriften der verschiedenen Gruppierungen heftig diskutiert. Überhaupt nicht vorhanden sind Programme im Sinne herkömmlicher Parteiprogramme, die einerseits als politische Grundsatzlehre und andererseits als Sachprogramme möglichst alle Lebensbereiche abzudecken versuchen.

Aus den verschiedenen Programmansätzen sind aber zweifellos Grundsätze und Ziele, zumindest für den Umweltbereich, ableitbar.

Die grüne Bewegung leidet jedoch (ähnlich, aber nicht so stark wie in Deutschland) darunter, daß programmatische Mängel zum Teil durch Ideologien ergänzt werden, die sogar in gewissem Widerspruch zu den ökologischen Zielkategorien stehen.

So beklagt Holger Strohm: „Die Ausbeutung der Natur zu überwinden bedeutet also, die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen zu überwinden. Dies ist nicht durch Uberrumpelungsver- suche und Uberstimmungstaktiken zu leisten, sondern nur durch Überzeugungsarbeit und bessere Argumente. Und da fehlt es den Grünen doch allgemein. Die Linken wissen zu wenig über Ökologie, und die Ökologen wissen zu wenig über politische Hintergründe.“

Derartige Situationen prägen auch die Diskussion der österreichischen Grünen in den diversen Alternativ-Zeitschriften. Ähnliche Probleme bestehen

hinsichtlich einer „Unterwanderung von rechts durch die braunen Grünen“. Auch hier mischen sich Parallelen zu „grünen“ Zielen mit abzulehnenden antidemokratischen Ideologien, wie z. B. Carl Amery dargestellt hat. In

beiden Fällen wird also versucht, durch eine Ansprache eines latenten antidemokratischen Gesichtspunktes Grüner Programme fremde Ideologien in den grünen Bereich einzuschleusen.

Zusätzliche Themen werden durch die beginnende Vermischung mit der Alternativszene eingebracht, wobei manchen davon die eher bürgerlichen Kreise der Grünen stark ablehnend (z. B. Homosexuellen-Initiative) bis eher skeptisch (Emanzipation der Frau) gegenüberstehen, während die „linken Grünen“ eher gleichgültig, aber manchmal auch grund-

sätzlich positiv eingestellt sind.

Trotz all dieser Probleme sind doch eindeutige Zielkategorien ableitbar. Historische Wurzeln dieser Bestrebungen gehen zurück bis Leopold Kohr und vor allem E. F. Schumafcher („Small is beautiful“, 1973). Der „sanfte Weg“, den z. B. Amory B. Lovins in den „Friends of the Earth“ für den Bereich der Energieversorgung konsequent ausgearbeitet hat, kann als Kernthese der Grünen bezeichnet werden.

Er ist durch folgende Alternativen gekennzeichnet: örtlich statt zentral; einfach statt kompliziert; vielfältig statt eintönig; persönlich statt anonym; autark statt abhängig; eigeninitiativ statt fremdbestimmt; billig statt teuer; natürlich statt technisiert; phantasievoll statt ideenlos.

Hertmut Bossel, Professor für Umweltschutz an der Gesamthochschule Kassel, postuliert in diesem Zusammenhang eine neue „Oko-Ethik“ mit dem zentralen

Gedanken „der Partnerschaft mit menschlichen und nicht-menschlichen, heutigen und zukünftigen Partnern“. Sein ökologisches Zukunftsbild ist unter anderem durch folgende Kriterien charakterisiert:

Sparsame flutzung natürlicher Ressourcen; ökologische und soziale Verträglichkeit; sanfte Technik; Vielfalt; Dezentralisierung; Partizipation; Abbau von Macht; Gewaltfreiheit.

Neben diesen Gesichtspunkten hat die Programmdiskussion der österreichischen Grünen auch vier zentrale Thesen des Saarbrückner Programms aufgenommen, nämlich: ökologisch, basisdemokratisch, solidarisch und gewaltfrei.

Die entscheidende Frage, nämlich die nach der alternativen Wirtschaftspolitik, wird sowohl in der Bundesrepublik Deutschland wie auch in Österreich nur in Ansätzen beantwortet. Das Ziel, ökologische Komponenten bzw. die zuvor genannten Kriterien des sanften Weges „marktrelevant“ zu machen, steht planwirtschaftlichen Bestrebungen der „linken Grünen“ gegenüber.

Hiezu kommt in der Bundesrepublik offenbar eine starke Komponente der Wachstumsgläubigkeit bei den linken Grünen. Dagegen scheint bei den österreichischen Grün-Aktivisten die Kritik am Wirtschaftswachstum unumstritten.

Der Autor ist Studienleiter für Kommunalpolitik in der Politischen Akademie der OVP. Auszugsweiser Vorabdruck aus dem Beitrag „Die Grünen — Momentaufnahme einer Bewegung in Österreich“ in: ÖSTERREICHISCHES JAHRBUCH’82 FÜR POLITIK. Hrsg. Khol/Stirnemann, Oldenbourg und Verlag für Geschichte und Politik, München/Wien 1983. Subskriptionspreis öS 298,- (erscheint Anfang März).

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