Das Unbehagen im Rechtsstaat

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Nicht nur äußere Feinde, auch innere Skeptiker und Gegner – rechte wie linke – bedrohen das „System“ der liberalen Demokratie und setzen sich über Gesetze hinweg. Ein Gastkommentar.

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Nicht nur äußere Feinde, auch innere Skeptiker und Gegner – rechte wie linke – bedrohen das „System“ der liberalen Demokratie und setzen sich über Gesetze hinweg. Ein Gastkommentar.

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Der liberale Rechtsstaat und die parlamentarische Demokratie – Klügeres und Menschenfreundlicheres konnten Völker bislang nicht hervorbringen. Dennoch ist dieses politische System weltweit nicht mehrheitsfähig und viele Beispiele zeigen, dass es keine Garantie für seinen dauerhaften Bestand gibt. Bedroht wird der demokratische Rechtsstaat nicht nur von äußeren Feinden, sondern auch von internen Skeptikern und Gegnern, die zwar gerne die Vorteile des „Systems“ nützen, nicht zuletzt aber dazu, es lautstark zu diffamieren.

Die Systemkritiker findet man auf der rechten und auf der linken Seite des politischen Spektrums. Viktor Orbán hat in Ungarn anschaulich demonstriert, wie man die Gewaltenteilung verwässert und die Medienfreiheit aushöhlt. Auch in Österreich kündigte Manfred Haimbuchner (FPÖ) vollmundig an, ein „Volkskanzler“ Kickl werde den Journalistinnen und Journalisten Benehmen beibringen. Wie, bitte, dürfen wir uns Kickls Erziehungsanstalt vorstellen? Und was ist ein „Volkskanzler“?

Bestellung, Handlungsmöglichkeiten und Handlungsgrenzen eines Bundeskanzlers sind in unserer Verfassung klar geregelt. Der „Volkskanzler“ ist ein fragwürdiges Alternativmodell, das wir aus faschistischen Ideologien kennen. Es stilisiert den Kanzler zum mythischen Träger eines kollektiven Willens, den Gewählten zum Erwählten, den Regierungschef zum „Führer“. Aus ihm spricht die „Volksbewegung“, und wer dieser Stimme widerspricht, bekommt schnell das Schild des „Volksfeindes“ umgehängt. Wie solch eine „illiberale Demokratie“ in der Praxis funktioniert, kann man an Putins Russland eindrucksvoll studieren.

Parlament als bloßer „Agitationsraum“?

Auch die sozialistische Linke muss man von Zeit zu Zeit daran erinnern, dass sich im Laufe ihrer facettenreichen Geschichte nur die gemäßigte, sozialdemokratische Linie mit der parlamentarischen Demokratie angefreundet hat. Für alle anderen Erben des Marxismus waren Parlamentarismus und Mehrparteiensystem nur der staatsrechtliche „Überbau“ der kapitalistischen Produktions- und Eigentumsverhältnisse, also die politische Form bürgerlicher Klassenherrschaft. Bestenfalls taugte das Parlament als Agitationsraum und als strategische Aufstiegshilfe zu Machtpositionen, von denen aus jene „Rätedemokratie“ erkämpft werden sollte, die realpolitisch nie etwas anderes war als die totalitäre Herrschaft der Partei.

Diese verheißungsvollen Alternativen zum kritisierten „System“ mögen sich alle vor Augen führen, die heute unter ausgiebiger Nutzung ihrer bürgerlichen Freiheiten lautstark als „Systemkritiker“ auftreten. Auf Recht und Gesetz berufen sich diese kompromisslosen Selbstermächtiger aller Farben und Ideen nur dann, wenn ihre eigenen Interessen bedient werden. Ist das nicht der Fall, stellt sich das große Unbehagen ein. Das geltende Recht und seine Institutionen werden zu bösen Orten des Unrechts uminterpretiert, nicht selten im Kontext haarsträubender Verschwörungsideologien.

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