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Eine starke Volkspartei

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Jözsef Antalls Forum Ungarischer Demokraten demonstrierte auf seinem jüngsten Landeskongreß, wie es auch nicht anders zu erwarten war, nach außen hin wieder Stärke, Einheit und Geschlossenheit. Der Preis dafür war allerdings die Schaffung des Postens für einen „Geschäftsführenden Vorsitzenden", der, sofern der Parteivorsitzende auch als Regierungschef dem Lande dienen muß, die Amtsgeschäfte der Partei wahrnimmt.

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Jözsef Antalls Forum Ungarischer Demokraten demonstrierte auf seinem jüngsten Landeskongreß, wie es auch nicht anders zu erwarten war, nach außen hin wieder Stärke, Einheit und Geschlossenheit. Der Preis dafür war allerdings die Schaffung des Postens für einen „Geschäftsführenden Vorsitzenden", der, sofern der Parteivorsitzende auch als Regierungschef dem Lande dienen muß, die Amtsgeschäfte der Partei wahrnimmt.

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Die Idee stammt von Antall selbst; der hervorragende Taktiker, der auch diesmal keine Kritik an seinem Führungsstil aufkommen lassen wollte, setzte die Wahl seines Freundes, des Historikers Lajos Für (Prädikat: Ein Bauenlintel lektue 11er) samt Änderung des Status ohne Schwierigkeiten durch.

Derauseinem südungarischen Dorf stammende Für gehört zu den Gründungsmitgliedern des Demokratenforums; wegen seiner Teilnahme an der Revolution von 1956 durfte er sich erst Anfang der sechziger Jahre an einer Grundschule als Geschichtslehrer betätigen, später arbeitete er als Agrarhistoriker, die akademischen Dienstgrade erwarb er erst Anfang der achtziger Jahre.

Auf dem Posten des Verteidigungsministers der christlich-nationalen Koalition erweist er sich seit anderthalb Jahren als ein beruhigend fähiger Politiker mit Weitsicht und einem ausgesprochenen Hang zur Ausgeglichenheit. Im Gegensatz zu Antalls chronischem Argwohn, der ihn viel zu oft dazu verleitet, aus der lächerlich-arroganten Defensive heraus sowohl Öffentlichkeit als auch Mitarbeitern gegenüber seine staatsmännische Substanz krampfhaft zu demonstrieren, ist Für ein Mann, der sich auf andere einstellen und dabei in einer

Weise Kompromisse erreichen kann, daß sich der Partner von seiner Entschlossenheit nicht überrollt fühlt.

Auf diese Fähigkeit setzt jetzt Jözsef Antall. Mit dem Argument, nach der Unterzeichnung des Abkommens über die assoziierte EG-Mitgliedschaft Ungarns und angesichts der unsiche-

ren Lage im Osten und Süden des Landes müsse er sich verstärkt Europa widmen, will er die Parteipolitik einigermaßen links liegen lassen. In Wirklichkeit stehen dem Demokratenforum Aufgaben bevor, denen Antall schon längst nicht mehr gewachsen ist.

Versagt hat die stärkste Regierungspartei nämlich in der Privatisierung und zwar nicht nur, weil sie außerstande war, mit entsprechenden Gesetzen den Übergang des früheren Staatseigentums in die Hände solcher einstiger KP-Funktionäre zu verhindern, die die Zeit ihrer Herrschaft auch zur Akkumulation von Privatkapital genutzt hatten; das Forum ist mittlerweile auch in einige recht peinliche Affären verwickelt.

So haben der Partei nahestehende Personen und Kreise die Eigentumsrechte zweier großer Firmen auf bisher ungeklärte Weise erworben. Versagt hat das Forum auch in

der Entschädigungsfrage; dies betrifft vor allem die Landwirtschaft, wo den Bauern nach wie. vor keine gesetzlichen Mittel zur Verfügung stehen, um ihr zwangskollektiviertes Land zurückzuverlangen. Die Folge: in über 60 Prozent der Produktionsgenossenschaften wird nicht mehr gearbeitet.

Was die Partei selber angeht, so hat sich das Forum im vergangenen Jahr viel zu sehr auf die Regierungspolitik konzentriert.

Wachsende Unzufriedenheit

Lajos Für schwebt die Schaffung einer starken Volkspartei vor, deren Informationskanäle in beide Richtungen funktionieren. Nichts liegt ihm femer als kernige Sprüche mancher Vorstandsmitglieder. Für hat da schon etwas Vernünftigeres zu tun: er will mit der Vorbereitung auf die nächsten Wahlen beginnen; der dem rapiden Sinken des Lebensniveaus entspringenden wachsenden Unzufriedenheit der Bevölkerung könne von einer Partei, die des Dialoges fähig ist, in vieler Hinsicht wirksam begegnet werden.

Nun weiß er sehr wohl, daß sich sein Freund und Gönner Antall letztlich nur halbwegs von der Parteispitze weggelobt hat; die erste Warnung kam bereits auf dem Landeskongreß, als der Parteivorsitzende ihn als „den deklariert zweiten Mann" bezeichnete. Er darf auch keinen Zweifel darüber haben, daß die Ungarisch-Nationalen in der Führung sprungbereit auf den Wink des Herrn warten, um die Einheit, die sie meinen, zu wahren.

Die Parteiliberalen halten ihn für einen ergebenen Antall-Anhänger, dem man nur mäßig trauen soll; die Pragmatiker, die in der Regierungsarbeit im Sinne eines vor anderthalb Jahren geschlossenen Paktes vor jedem Atemzug die Opposition konsultieren, fürchten wiederum um sein souveränes Denken. Viel Spielraum bleibt Für also nicht übrig.

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