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Fuhrerscheinentzug?

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Das Münchner Messegelände war kürzlich Schauplatz des beginnenden Wahlkampfs für den neuen Bundestag. In der Kongreßhalle erläuterte Bundeskanzler Schmidt vor einer wehrpolitischen Fachkonferenz einschlägige Teile seines „Modells Deutschland“ und präzisierte, daß Freiheit nur durch Sozialismus gewährleistet sei; wenige hundert Metier davon entfernt, in der Bayernhalle, eröffnete Franz Josef Strauß den Wahlkongreß seiner Partei mit der Feststellung: „Wir haben die Frage eindeutig bejaht, ob die Auseinandersetzung im Grundsätzlichen au führen sei: Freiheit oder Sozialismus.“ Einig waren sich die beiden Hauptkontrahenten der bundesdeutschen Wahlszenerie in einem Punkt. Den EG-Partnern „werden wir nach Kräften helfen, aber nicht so, daß wir ihnen die Begegnung mit der ökonomischen Wirklichkeit ersparen“, meinte der CSU-Vorsitzende. „Unsere Hilfe muß der Gemeinschaft etwas nützen — Wasser schöpfen in ein Faß ohne Boden, macht keinen Sinn“, erklärte der Bundeskanzler.

Das „Ja zur Freiheit“, das die CSU als zweites Wahlkampfmotto ins Feld führt, verknüpfte Strauß vor seinen 4000 Zuhörern unlösbar mit dem Dreigespann „demokratischer Rechtsstaat, soziale Marktwirtschaft und parlamentarische Demokratie“. Wer eines davon aus dem Ganzen herausbreche, gefährde auch die beiden anderen. Es gehe um die Freiheit des Urteils, um die Freiheit der Kritik, um die- Freiheit auch vom Staat. Von jeder zusätzlich verdienten Mark müßten heute schon 59 Pfennig an den Staat abgeführt werden. Scharf zurückgewiesen wurde vom CSU-Vorsitzenden auch die Behauptung des Bundeskanzlers Schmidt, mit der dieser einer CDU/CSU-Regierung die Fähigkeit abgesprochen hatte, den sozialen Frieden zu bewahren. Dies sei das unverantwortliche Geschwätz eines Mannes, der — in einer Mischung von „sachlicher Unwissenheit, flegelhaftem Benehmen und wilhelminischem Großgetue“ die Wähler mit autoritären Verhaltensweisen einschüchtere. Energisch verwehrte sich Strauß auch gegen die Unterstellung Brandts, die Unionsparteien seien bei einer Regierungsveranitwortung nicht imstande, die Isolierung gegenüber dem Osten und dem Westen zu verhindern. Die Flitterwochen der „west-öatliche Divan“, seien sicherlich vorbei. Aber eine Unionsregierung würde alles unternehmen, den Frieden zu sichern durch Zusammenhalten der Atlantischen Allianz, unentwegtes Bemühen um das Entstehen der Vereinigten Staaten Europas — obwohl diea noch weit in die Ferne gerückt sei — und gute Beziehungen zu den östlichen Nachbarn. Das letztere, insbesondere die Zusammenarbeit mit Moskau, hänge wesentlich von den beiden ersteren und von einer gesunden Wirtschaft ab. Was Schmidt über die Democrazia Cristiana Italiens gesagt habe, sei Brunnenvergiftung und Fälschung der Fakten. In der ganzen DC gebe es keinen Politiker, der das Bündnis mit den Kommunisten wolle. Die Sozialisten seien es, die in Italien eine regierungsfähige Mehrheit sabotierten.

Am 3. Oktober stelle sich den Unionsparteien die Aufgabe, allein die absolute Mehrheit zu erreichen. Die FDP sei als eine Partei, die den Marxisten zu Machtpositionen verhelfe, keine liberale Partei mehr, Sozialismus, Faschismus und Kommunismus hätten — nach einem Ausspruch des Nobelpreisträgers Hayek — den gleichen geistigen Ursprung. Im Bewußtsein, ,,daß unsere Politik die allein richtige war“ und „überzeugt davon, daß wir nun den Gleichklang innerhalb und zwischen den beiden Uniionsparteien erreicht haben“, müsse am Wahltag den Herren Schmidt, Brandt und Wehner der Führerschein entzogen werden.

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