Antisemitismus: Der Balken im eigenen Auge

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Das Massaker vom 7. Oktober riss einen Abgrund auf – auch in Österreich. Empathie und Dialogbereitschaft kann man nur fördern. Offenen Judenhass muss man bekämpfen. Überall.

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Das Massaker vom 7. Oktober riss einen Abgrund auf – auch in Österreich. Empathie und Dialogbereitschaft kann man nur fördern. Offenen Judenhass muss man bekämpfen. Überall.

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Die Minuten vergingen – aber die entscheidenden Sätze wollten dem palästinensischen Botschafter in Österreich einfach nicht über die Lippen kommen: dass es unerträglich ist, wenn junge Palästinenser ihren „Stolz“ auf den 7. Oktober bekunden; dass die Hamas eine Terrorgruppe ist und nicht irgendeine „Idee“; und dass es nichts, aber auch gar nichts zu kontextualisieren gibt, wenn 1400 Menschen vor laufenden Kameras bestialisch abgeschlachtet werden. Bis zum Schluss des von ZIB-2-Anchor Armin Wolf moderierten „Gesprächs“ mit dem österreichisch-israelischen Schriftsteller Doron Rabinovici blieb Salah Abdel Shafi in seiner Aufrechnungs-Haltung. Ob aus eigener Angst vor der Hamas oder aus Prinzip, blieb offen.

Das Interview war nicht die einzige Unerträglichkeit seit dem Zivilisationsbruch vor genau einem Monat: Demonstranten, die nicht nur Solidarität mit Gaza, sondern unter dem Motto from the river to the sea die Auslöschung Israels fordern, gehören ebenso dazu wie herabgerissene israelische Fahnen, beschmierte Geschäfte und der Brandanschlag auf die jüdische Zeremonienhalle am Wiener Zentralfriedhof.

Tatsächlich hat Israel den globalen Propagandakrieg längst verloren. So sehr man das Ausmaß der Bodenoffensive in Gaza und das nachhaltige Nein zu einer humanitären Waffenpause kritisieren kann: Die Gräuel des 7. Oktober – für die Nachwelt komprimiert in einem 45-minütigen Horrorvideo – relativiert dies in keiner Weise. „Mama, ich habe eigenhändig zehn Juden umgebracht“, schrie darin ein kaum volljähriger Hamas-Terrorist ins Telefon. Entmenschlichter kann ein Mensch nicht sein.

„Mama, ich habe zehn Juden umgebracht!“

„Das eigene Leid ist zu groß und unerträglich, um das Leid der Anderen zulassen zu können“: So lautet die Erklärung des ORF-Korrespondenten in Israel, Tim Cupal, für die gegenseitige Empathielosigkeit in Nahost. Den weltweit monströs aufbrechenden Antisemitismus kann dies freilich nicht erklären. In Österreich und Deutschland fällt diese erschreckende Entwicklung just mit dem 85. Jahrestag der Novemberpogrome vom 9. und 10. November 1938 zusammen. Das gemeinsame Erinnern an die damalige politisch gesteuerte Entmenschlichung aller Jüdinnen und Juden ist nunmehr gefährlich geworden. So manche Gedenkveranstaltung wurde bewusst nicht beworben. Und Schoa-Überlebende, die hätten sprechen sollen, bleiben diesmal lieber zuhause.

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