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Neue Prachtigkeit

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Mit einer Attacke gegen unsere armselige Architektur und Stadtplanung, unsere elenden Badeanstalten, didaktischen Kunstausstellungen, gegen unsere allgemeine Denk-mallosigkeit und stotternde Literatur — so startete die inzwischen zu Berühmtheit gelangte Berliner Künstlergruppe der „Schule der Neuen Prächtigkeit“ 1973: mit einem respektablen Manifest, das die Belebung erstarrter Phantasie forderte, ein neues Schauen.

Johannes Grützke, Jahrgang 1937, war da von Anfang an dabei. Er ist — mit oder trotz dieser „Schule“, in der sich alle tatsächlich als Schüler der großen Meister empfinden — sehr rasch zu einem der renommiertesten Maler der Bundesrepublik avanciert. Einer, dessen pompöse 100.000- und 200.000-Schilling-Ge-mälde in den großen deutschen und internationalen Galerien, ja Museen ihren Platz haben. Grützke versucht sich jetzt auch in Wien. Und die Düsseldorfer Galeriechefin, Dr. Heike Ourtze, eröffnet mit einigen großen Grützke-Gemälden und hervorragenden Pastellen ihre neue Wiener Galerie, Grünangergasse 12.

Grützke selbst kam für ein paar Tage. Bin Liebhaber gedrechselter Wortwitze, kunstvoller Anspielungen, .„gebildeten“ Redens über Kunst, das freilich auch sehr schnell ins Absurde umkippen kann. In Wien durchstreifte er vor allem die heiligen Hallen des „Kunsthistorischen“ und der Akademie der bildenden Künste, „die Nase“ — wie er selbst sagt — „immer ganz nah dran an den alten Bildern“, um den Meistern auf die Malspur zu kommen, ihren Pinselstrich und ihre Farbmixturen auszuforschen. Denn Grützke fasziniert es, Wie Rubens, van Dyck, Velazquez oder auch Tizian ihre Formate in jener „alten Prächtigkeit“ arrangierten, wie sie ihre idealen Figuren drapierten, mit Farben Raumvorstellungen schufen.

Im Grunde schließt er da heute selbst an: in seinen sich aufplusternden Figuren, die sich opulent geben und die Bildflächen füllen, in der manierierten Drehung seiner Gestalten, in den modernen Allegorien, mit denen er aber auch der Wirklichkeit ein Schnippchen zu schlagen versucht. So, als wären seine Bilder eine Anspielung auf die berühmte Pointe des Dada-Dichterphilosophen Huge Ball, daß ein Dichter, oder Künstler überhaupt, immer mit „Witz, Licht und Grütz(k)e“ arbeiten müsse...

Grützke hat sehr früh seinen unverkennbaren Stil entwickelt. Sogar gegen alle Zeittendenzen, gegen die pralle Direktheit und Unverblühmt-heit im Abmalen des Wirklichen im Realismus wie gegen die Entleerung in der Konzeptkunst... Die „Neue Prächtigkeit“ verstand er als eine Art Antimalerei, bei der das Publikum erst einmal wieder das Gespür für die Üppigkeit einer neuen Historienkunst finden soll, für Zusammenhänge zwischen alter und neuer Malerei und für die kritische Distanz, die in Grützkes Bildern mitspielt.

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