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Nur eine Fassade

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Die längst erwartete und abschließend erfolgte Übernahme des Vorsitzes der Tschechoslowakischen Nationalen Front durch KPTsch- Chef Dr. Gustav Husäk zeigt das in allen Bereichen, nicht zuletzt in der Wirtschaft, sichtbare Bestreben, die „Führungsrolle der Partei” auszubauen und zu verstärken.

Um diese verstärkte Führungsrolle geht es vor allem bei der genannten jüngsten Umbesetzung, denn seit mehr als zwanzig Jahren stand immer ein Kommunist an der Spitze: Zapotocky (1848 bis 1953), Siroky (1953 bis 1959) und schließlich Novotny (1959 bis 1968), dann, zwischen April und September 1968, Dr. Frantisek Kriegei, der bald bestgehaßter Mann der Konservativen war.

Kriegel-Nachfolger’-O’/- wurde der zweite Mann in der Nationalen Front, deren Generalsekretär Evžeh Erban, der für die erste Phase im Gleichschaltungsprozeß bis zur Übernahme durch Parteichef Husäk prädestiniert schien.

Die „Nationale Front der Tschechen und Slowaken” hatte sich 1945 in Moskau unter Klement Gottwald als Gruppierung der politischen Parteien konstituiert, dabei an die Volksfront-Tradition der dreißiger Jahre anknüpfend und zu den „Konzentrationsregierungen” der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg hinführend. Auch die erste, in Kaschau gebildete Nachkriegsregierung der wiedererrichteten Tschechoslowakei nannte sich „Regierung der Nationalen Front der Tschechen und Slowaken”. Mitglieder waren seit 1945

neben den politischen Parteien auch die Massenorganisationen, Gewerkschaftsbewegung, Jugendverband und so fort, was sich drei Jahre später, bei der kommunistischen Machtübernahme vom Februar 1948, als verhängnisvoll erweisen sollte. Damals spielten neben den Werksmilizen die „Aktionsausschüsse” der Nationalen Front als Steigbügelhalter für die KP eine entscheidende pro-kommunistische Rolle.

Trotz Parteienverboten und Gleichschaltung der weiterbestehenden

Parteien blieb die „Nationale Front” — als eine der demokratischen Fassaden — erhalten. Sie umfaßte, „unter der Führung der Kommunistischen Partei der KPTsch”, die übrigen politischen Parteien, Volkspartei und Sozialistische Partei. In der zwölf Jahre nach der kommunistischen Machtübernahme, 1960, beschlossenen Verfassung wurde die „Nationale Front” als politischer Ausdruck des von der KPTsch geführten Bündnisses der Werktätigen in Stadt und Land bezeichnet. Ihr Ziel nach der kommunistischen Machtergreifung war es, die Beziehungen zwischen KPTsch und anderen politischen Parteien und Gruppen zu festigen, mit dem Ziel des Aufbaues einer sozialistischen und kommunistischen Gesellschaftsordnung. Handfeste Aufgabe dieser „Nationalen Front” ist die Aufstellung von Kandidaten und gemeinsamen Kandidatenlisten — eine Aufgabe, die allerdings zuletzt vor sieben Jahren fällig war.

Im „Prager Frühling” hätte die „Nationale Front” eine entscheidende Rolle spielen müssen, aber verständlicherweise waren Initiativen von den so lange unterdrückten nichtkommunistischen Parteien, die noch dazu ihren eigenen Säuberungsprozeß mit einer Phasenverschiebung gegenüber der KPTsch durchmachten, nicht zu erwarten. Darüber hinaus suchte auch die KP ihren Führungsanspruch dadurch zu dokumentieren, daß die revolutionären Vorschläge von ihr ausgingen. So war von einem neuen politischen Pluralismus in der Tschechoslowakei die Rede, offen wurde darüber gesprochen, daß es nicht mehr möglich sei, die Staatsmacht nur für eine Partei zu mobilisieren. In einer Proklamation vom Juni 1968 sprach sich schließlich die „Nationale Front” selbst „gegen das Monopol einer einzigen politischen Partei oder einer Koalition” aus, bezeichnete aber gleichzeitig das Aktionsprogramm der KPTsch und die Regierungserklärung als gemeinsamen Ausgangspunkt der Arbeit.

Kriegel-Nachfolger Evžen Erban war ursprünglich Sozialdemokrat, hat — im Gegensatz zu Parteichef Laušman — die Schwenkung zur KPTsch im Jahre 1948 brav mjt- gemacht, stieg in höchste Gewerk- schafts- und Parteigremien auf und hat seither niemals Gunst und Vertrauen seiner Chefs verloren. Er hat die Gleichschaltungsarbeit der „Nationalen Front” ziemlich sang- und klanglos vollbracht, und nur gelegentlich war deren Name überhaupt sichtbar geworden, so, als der inzwischen verbotene Studentenverband nicht Mitglied der „Nationalen Front” werden wollte und auch, als die „Nationale Front” den Ausschluß des „Verbandes der Forscher” beschloß.

Dr. Gustav Husäk, seit Jänner Vorsitzender der „Nationalen Front”, wird nunmehr zwar kaum mit neuen Ideen und Gedanken, dafür mit dem Gewicht seiner Funktion die Führungsrolle der KPTsch unterstreichen.

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