Amerikas Wahl zwischen "Ich" und "Wir"

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Seit mehr als 50 Jahren erlebe ich Amerikas Präsidentenwahlen interessiert – und nicht selten auch als unmittelbarer Augenzeuge. Nun aber frage ich mich: Haben die USA in dieser langen Zeit schon Ähnliches wie jetzt erlebt: hier ein weitgehend moralfreier Amtsinhaber; dort einen bemerkenswert blasser, aber aufrechter Herausforderer. Und eine Riesen-Nation zudem im Bann einer globalen Pandemie, einer erdrückenden Wirtschaftskrise und serienweiser Naturkatastrophen. Mehr noch: Ein Wahlvolk inmitten einer beispiellosen politischen Polarisierung.

In dieser schroffen Gegensätzlichkeit bleibt die Wahl 2020 ganz sicher ein Unikat. Und doch beleuchtet sie, überhell, etwas für Amerika recht Typisches: den jahrhundertealten Zweikampf (und im besten Fall die Balance) zwischen grenzenlosem Individualismus - dem hochgelobten Überleben des Stärkeren – und der Sehnsucht nach stabiler Gemeinschaft.

Der Geist der Wall-Street-Zocker

Donald Trump ist die reine Verkörperung des Egos: Ganz Ich und Held, ja Genie – der Individualist, der primär an sich denkt und für sich sorgt. Keine Vorschrift, kein Gebot kann ihn hemmen. Und seiner Karriere wegen lässt er selbst inmitten seiner Fans den Mundschutz ungenützt – ihr Risiko kümmert ihn nicht. „Es ist der Geist der Wall Street-Zocker, der Western-Romane und John-Wayne-Filme, der ihn treibt“, hat es kürzlich auf CNN geheißen. Dagegen Joe Biden: Familiär oft vom Schicksal geschlagen, sagt er es in diesen Wochen 1001mal: „Keiner ist für sich geboren“. Nur gemeinsam, als Team und notfalls mit fair geteilten Opfern überwindet das Land die Krisen. Eine Nation, vereint unter dem Sternenbanner.

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