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Rache für den schwarzen September

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Unmittelbar nach dem Bekanntwerden der Hiobspost von der Ermordung des jordanischen Regierungschefs ergriffen die Behörden in Amman und Nordjordanien zum erstenmal seit dem Bürgerkrieg wieder strengste Sicherheitsvorkehrungen. Auf den Überlandverbindungen errichtete die Armee Straßenkon- trollstellen. In der Hauptstadt besetzten Panzer- und Infanterietrupps die strategischen Punkte und übernahmen den Schutz der öffentlichen Gebäude und Versorgungseinrichtungen. Durch die Straßen patroullieren ununterbrochen bewaffnete Polizei- und Militärstreifen. Der Zugang zu den Flüchtlingslagern wird wieder scharf überwacht.

Die Jordanier blieben bei ihrer schon in der unmittelbar nach dem Mordanschlag in den Basman-Palast einberufenen und von König Hussein geleiteten Kabinettssitzung geäußerten Behauptung, Ägypten treffe mindestens eine Mitschuld an dem Komplott. Die vier Attentäter hätten mit gültigen syrischen Pässen einrei- sen können. Es handle sich bei ihnen um geheimdiensterkannte Mitglieder der von Damaskus gegründeten und zeitweilig in die syrische Armee integrierten Terrorgruppe „Es-Saika“ („der Blitzstrahl“). Sie hätten sich später der radikalen „Volksfront für die Befreiung Palästinas“ (PFLP) angeschlossen und seien im letzten Herbst, kurz nach der Ernennung Wasfi Et-Tells zum jordanischen Ministerpräsidenten, zu deren Splittergruppe „schwarzer September“ übergewechselt. Der

Name dieser bisher noch kaum öffentlich in Erscheinung getretenen Organisation erinnere an die Niederlage der Terroristen im jordanischen Bürgerkrieg im Herbst vorigen Jahres. In Amman argumentiert man weiter, wer die Effizienz der ägyptischen Geheimpolizei kenne und wisse, daß in dem Nilland nichts ohne deren Wissen und Einwilligung geschehen könne, müsse es für ausgeschlossen halten, daß die Mörder Waffen und Munition ungehindert hätten einschmuggeln und den Anschlag ohne Kontakt mit der einheimischen Sicherheitspolizei hätten planen und durchführen können. Es müsse auch als imglaubhaft angesehen werden, daß sich das Kleeblatt gegen den Willen der ägyptischen Sicherheitsbelhörden bis in die unmittelbare Nähe des jordanischen Premierministers habe. vordrängen können. Jordanischerseits weist man auch auf die Mitverantwortung der unverantwortlichen Kriegshetze des ägyptischen Präsidenten Es-Sadat und seiner publizistischen Propagandamaschinerie in den letzten Monaten hin, die die Pogromstimmung in den Flüchtlingslagern erneut auf einen Siedepunkt getrieben habe.

Auch in gemäßigten Kreisen Beiruts glaubt man, der eigentliche Nutznießer des politischen Mordes von Kairo seien nicht die Terroristen, denen nun erneut der Abscheu der ganzen zivilisierten Welt entgegenschlage, sondern der _ ägyptische Präsident. Das Prestige Es- Sadats bei den Palästinensern werde durch das geglückte Mordkomplott gestärkt werden. Außerdem könne er das sich abzeichnende Zurückschrek- ken vor einem neuen Krieg gegen Israel jetzt mit dem zu erwartenden endgültigen Ausscheiden Jordaniens aus der „Arabischen Einheitsfront“ und dem dadurch unausweichlich werdenden „Zusammenbruch der Ostfront“ begründen.

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