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Sanierung durch V errat an Keynes

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Im Herbst „wird etwas Dickes kommen“. Diese neuerliche Ankündigung von Steuererhöhungen durch Finanzminister Salcher hat viele erschreckt, auch Sozialisten. Bundeskanzler Sinowatz aber sekundierte.

Wenige Tage später wurde auch Vizekanzler Steger deutlich: Um die 20 Milliarden Schilling müßte das Loch im Bundeshaushalt 1984 kleiner werden — durch ^höhere Steuern ebenso wie durch Einsparungen.

Eine Selbstmörderregierung? Nein, denn ohne Zweifel sieht eine Mehrheit der Österreicher heute die Notwendigkeit zu drastischen Reformen der Wirtschafts- und Finanzpolitik ein. Erstmals reden auch Sozialisten offen von einer dringend notwendigen „Sanierung“ des Budgets. Sanieren heißt gesundmachen, heilen — also waren die Defizite der letzten Jahre eine Krankheit, ein Unheil. Nun kann von einer „Heilung“, also einer Beseitigung des Abgangs, ohnehin keine Rede sein. Aber wenigstens nicht größer soll er werden.

Wer sich in der Talsohle der Konjunktur für eine Defizitsanierung ausspricht, wirft alle Prinzipien der antizyklischen Konjunkturpolitik über Bord. Sonst müßte natürlich im Wirtschaftstief mit Mitteln, die man in besseren Jahren angespart hat, und mit Kreditaufnahmen die Konjunktur angeheizt werden.

Nie hat ein Finanzminister der Welt in Wachstumsjahren Mittel angespart. Das war der erste fundamentale Verrat an der Keyne- sianischen Budgettheorie. Jetzt wird in vielen Ländern der zweite Verrat zelebriert: in Form einer zykluswidrigen, aber auf Grund früherer Ausgabenexzesse unvermeidlich gewordenen Defizitbremse im Konjunkturtief.

Wenn also sozialistische Parteien heute wenigstens indirekt das Scheitern ihrer Politik zugeben, ist es an der Zeit für christdemokratische, konservative und liberale Parteien, ihrerseits einzuräumen, daß mit bloßen Einsparungen allein die öffentlichen Haushalte kaum zu sanieren sein werden.

Die ÖVP wird nur dann glaubwürdig sein, wenn sie neben dem richtigen und notwendigen Beharren auf Einsparungen auch zur ernsthaften Erörterung gewisser Mehreinnahmen bereit ist. Sie muß in wirtschaftspolitischen Fragen Phantasie und Flexibilität zeigen. Nur Neinsagen genügt in der Tat nicht mehr.

Seit Jahren war die OVP moralisch nicht mehr so stark wie heute. Ihr Obmann, seit 1979 Vorsitzender der Europäischen Demokratischen Union, ist nun auch zum Präsidenten der weltweiten Internationale verwandter Parteien gewählt worden: ein großer, verdienter Prestigeerfolg, der zu staatsmännischem Handeln auch im eigenen Land zusätzlich legitimiert.

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