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Schulplan da, Geldhahn zu

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Kurz' vor Torschluß, aber ohne Panik einigten sich die Koalitionsparteien nach heftigem Pokern darauf, zwei Initiativanträge gemeinsam einzubringen, deren Inhalte vom Großteil der Medien als Tatsache berichtet wurden: Erstens wurde im Zusammenhang mit dem Schulvolksbegehren vorgesehen, die Klassenschülerhöchstzahl in der Volksschule von 30 auf 28 zu senken. Zweitens wurde ein Initiativantrag „Schulversuche für ganztägige Schulformen" eingebracht.

Entgegen der ursprünglichen Regierungsvorlage sollen die Schulversuche zur ganztägigen Schul- form nicht in das Regelschulwesen übergeführt, sondern als Übergangslösung weitergeführt werden. Die Zahl der Schulversuche sollte nicht, wie von der SPÖ vorgeschlagen, auf zehn Prozent verdoppelt, aber auch nicht auf dem üblichen Niveau der Schulversuche mit fünf Prozent gehalten, sondern auf insgesamt acht Prozent der „Anzahl der Klassen an den Unterstufen der öffentlichen Allgemeinbildenden höheren Schulen im jeweiligen Bundesland" ausgedehnt werden. Die bisherigen Versuche (Ganztagsschule und Tagesheimschule) sollen nicht mehr fortgeführt, sondern stufenweise in den neuen Schulversuch einmünden.

Die ganztägigen Schulformen sollen „in einen Unterrichtsteil und einen Betreuungsteil" gegliedert werden. Diese Teile können in getrennter Abfolge, also Unterrichtsteil am Vormittag, Betreuungsteil (bestehend aus gegenstandbezogener Lernzeit, individueller Lernzeit und Freizeit) am Nachmittag, aber auch „in verschränkter Abfolge" geführt werden.

Neu ist: Nur dann, wenn „alle Schüler einer Klasse am Betreuungsteil während der ganzen Woche teilnehmen sowie die Erziehungsberechtigten von zwei Drittel der betroffenen Schüler und zwei Drittel der betroffenen Lehrer zustimmen", kann eine Klasse „mit verschränkter Abfolge des Unterrichts und des Betreuungsteiles" geführt werden.

„In allen übrigen Fällen", so der Initiativantrag, „sind der Unterrichts- und der Betreuungsteil getrennt zu führen". Bei dieser Form können die Gruppen auch klassenübergreifend gebildet und es kann „der Betreuungsteil auch an einzelnen Nachmittageh in der Woche

in Anspruch genommen werden." Das bedeutet: Nur wenn alle zustimmen, kann eine Art der Be:­ treuung stattfinden, wie sie jetzt in der Ganztagsschule gegeben ist. Ansonsten ist jene Form vorgesehen, die etwa dem Modell der bisherigen Tagesheimschule entspricht.

Erprobt werden sollen auch ein Betreuungsplan für die gegenstandbezogene und individuelle Lernzeit '(dabei soll die Unterrichtsarbeit des Unterrichtsteiles gefestigt und gefördert, jedoch nicht neue Lerninhalte erarbeitet' werden) sowie ein „ Verfahren zur Festlegung der Standorte unter Beteiligung der betroffenen Erziehungsberechtigten, Lehrer und Schulerhalter".

Offen geblieben ist eine adäquate Lösung für die (katholischen) Privatschulen.

Schulpolitiker d.enken - Finanzpolitiker lenken. Alles schien unter den gegebenen Umständen gut gelöst, doch das Nein der Landesfi-

nanzreferenten stoppte abrupt den späten Gesetzgeberelan. Sie verweigerten sowohl zur Senkung der Klassenschülerhöchstzahl als auch zur Ausweitung der GanztagsSchulversuche, unabhängig davon ebenso zur Ausweitung der Berufsschulzeit, ihre Zustimmung, weil ein Teil der Kosten auch die Länder trifft. Wichtige Anliegen gerieten zwischen die Mühlsteine „Landesfinanzreferenten" und „Finanzmi- , nister".

Wurde von den Abgeordneten zu hoch gepokert? Die Partie bleibt bis zum „Parlamentskehraus" des Nationalrates am 4. und 5. Juli offen, der Unterrichtsausschuß jedenfalls hat die beiden Anträge nicht weiter behandelt.

Eigentlich ärgerlich, daß, wann immer in der Bildungspolitik ein Streit um das Geld ausbricht, dieser meist auf dem Rücken der Schüler - und damit auch der Eltern - ausgetragen wird.

Vorläufig bedeutet dies: Es gibt weder weniger Schüler in den

(Volksschul-)Klassen noch können die längst zur Überführung in das Regelschulwesen reifen Schulversuche zu ganztägigen Schulformen weitergeführt werden .

Der Autor ist Generalsekretär des Katholischen Familienverbandes Osterreichs.

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