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Stimmt an das Lied der Lieder...
„Der eine saß, der andere stand, der stimmte für, der wider: Das ist der Nationalverband, stimmt an das Lied der Lieder!"
„Der eine saß, der andere stand, der stimmte für, der wider: Das ist der Nationalverband, stimmt an das Lied der Lieder!"
Wer könnte sich der Erinnerung an die Zeit nach der Jahrhundertwende entziehen, als dieser Spottvers zur Charakterisierung der Alldeutschen in Österreich die Runde machte? Die Deutsche Fortschrittspartei, die Deutsche Volkspartei, die Deutsche Agrarpartei, die Deutschradikale Gruppe und die Deutsche Arbeiterpartei wollten damals wenigstens in einem Dachverband halbwegs eine gemeinsame Grundlinie im Prinzipiellen finden - was dabei herauskam, verrät der zitierte Spottvers.
Uneinigkeit war immer schon ein Kennzeichen der Deütschnationalen in der Monarchie. „Das Erschrek-kende", donnerte der Alldeutschenführer Georg Ritter von Schönerer bei der Wahlrechtsdebatte 1906 in den Reichsratssaal, „das Erschrek-kende ist, daß die Deutschen hier im Hause, wenn sie einig wären, die Macht hätten die Sache anders zu gestalten ..."
Sie waren es aber nicht. 1901 gelobte der Alldeutschenführer Karl Hermann Wolf pathetisch, er würde sich „eher die rechte Hand abhacken lassen", als sich für einen Konflikt mit Schönerer herzugeben. Ein Jahr später war der Konflikt perfekt.
Auch das kennzeichnet diese politische Gruppe: daß es so gut wie immer persönliche Fehden waren und sind, die da mit dem Ingrimm von Nibelungenrecken ausgetragen wurden und werden - auf Kosten der Partei. Damals und heute. Diesmal in der FPÖ.
Als Alexander Götz ein Jahr nach Übernahme der Parteiführung ging und einen Scherbenhaufen hinterließ, der seine politischen Tage auch in Graz längst als gezählt erscheinen läßt, da schien zunächst nur er schwer angeschlagen. Eher handstreichartig nominierte die Parteispitze einen neuen Kandidaten, den Wiener Obmann Norbert Steger, der sich alsbald von mehreren Landesorganisationen abgelehnt sah: der zweite Parteimarode. Vergangene Woche sprengte der niederösterreichische Parteiobmann Harald Ofner auf die Walstatt: Jetzt ist auch Interimsobmann Horst Sehender, der offenbar zu rasch die Weichen stellen wollte, politisch defloriert. Und das jüngste Grollen aus Graz hat Götz endgültig disqualifiziert.
Wunden, wohin das Auge blickt. Auch der größte Charme des blauen Bundespräsidentschaftskandidaten Wilfried Gredler wird sie über Nacht nicht schließen können. Aber kein Triumph ist das für jene, die auch ohne FPÖ auskommen zu können glauben.
Im demokratischen Leben Österreichs haben nicht nur die Deutschnationalen, sondern und vor allem auch die Liberalen, die zweiten Stammväter der heutigen Freiheitlichen Partei, seit Jahrzehnten eine wichtige, oft genug auch eine staatstragende Rolle erfüllt. Ohne eine funktionsfähige FPÖ würde der politischen Szene Österreichs ein kleines, aber demokratiewichtiges Ingrediens fehlen. Verschwände es, wäre das politische Leben eintöniger, ärmer, grauer geworden.
„Die Welt wird schlechter mit jedem Tag - wer weiß, wie das noch enden mag?" dichtete Schönerer seinen Ludwig Uhland um, als er mit Wolf brach. Wenn sich die FPÖ heute an diese Frage hält, weiß man die Antwort im voraus: mit einer Zementierung der SPÖ-Herrschaft.
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