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Vom Sinn zum Unsinn

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Ende der sechziger Jahre begannen die Wogen der Neuromantik den Westen zu überfluten. Eine junge Generation, von der Trivialität eines funktionierenden sozio-ökonomischen Systems gelangweilt, suchte nach einem neuen „Sinn des Daseins“. Dieser fand sich zunächst auf der äußersten Linken des politischen Spektrums und - wie stets in romantischen Bewegungen - durch Rückgriff auf Theorien, die ein Jahrhundert hinter sich gebracht hatten.

Nun, nachdem ein recht turbulentes Jahrzehnt verflossen ist, beginnt sich, trotz der unverändert starken neoromantischen Grundströmung, allmählich herumzusprechen, daß von all den Theorien der Neuen Linken rein gar nichts zur Bewältigung der Probleme hier und heute taugt.

Dafür verlagert sich das Schwergewicht der Aktivitäten durch die Umweltwelle eher nach rechts. Man geht in der Annahme nicht fehl, daß diese Überlegungen für die Bewältigung gesellschaftspolitischer Aufgaben ebenso wirkungsvoll sein werden wie jene der Neuen Linken.

Die etablierten politischen Parteien stehen diesen mächtigen geistigen Strömungen recht unsicher gegenüber. Einerseits versuchen sie, diese für sich zu nützen und übernehmen manches in ihre Programmatik - der Abgeqrdnete Karl Blecha hat sich am letzten Parteitag der SPÖ zu den neuen Altemativbewegungen bekannt -, anderseits können sie in der praktischen Politik damit nichts anfangen.

Daher verdient der massive Vorstoß des Vizebürgermeisters Erhard Busek besondere Aufmerksamkeit, um den Wert dieser Gedankengänge für die Gesellschaft zu demonstrieren.

Den ersten Schritt in dieser Richtung bedeutet der Ideenmarkt: insofern ein Erfolg, als ihn die angesprochenen Kreise zuletzt sogar besetzten. Da die Massenmedien heute der Neuromantik größte Sympathien entgegenbringen, wurde die Veranstaltung sehr freundlich kommentiert, nur war es offensichtlich unmöglich, eine neue Idee aufzufinden.

Das sollte zwar auch niemand überraschen, denn seit zehn Jahren wird die Jugend aufgerufen, neue Ideen zur Bewältigung der gesellschaftlichen Probleme zu haben (zuletzt vom Club of Rome) - herausgekommen ist bisher nichts, außer „schöpferische Utopien“, welche freilich Anlaß für Aktionen gewesen zu sein scheinen, durch welche sich die Wiener Volkspartei eindeutig als eine solche der Ümwelterhaltung - was immer man darunter versteht - ausweist.

Das erste Plakat versichert uns: „Gärten sind wichtiger als Beton“ - eine wahrhaft rätselhafte Aussage. Wie baut man etwa eine Autobahn aus Gärten? Oder läßt sich eine Kläranlage durch solche errichten?

Nun wird man einwenden, das sei metaphorisch gemeint, es gehe dar-» um, weniger Grünflächen zu verbauen. Dann jedoch wäre etwas mehr Konkretes angezeigt. Wünscht die Wiener Volkspartei den Bau einerNordeinfahrt, oder sollen die dort vorhandenen Gärten bestehen bleiben, obwohl die Wochenendausflügler sich im Schrittempo ihrem Ziel nähern?

Man könnte meinen, das sei tatsächlich das Ziel der Wiener Volkspartei; denn sie stellt auf dem nächsten Plakat fest: „Menschen sind wichtiger als Autos“. Da im allgemeinen auch Menschen mit Autos fahren, kann diese entschiedene Aussage nur so verstanden werden, daß Menschen ohne Autos gegenüber solchen mit Autos absoluter Vorrang einzuräumen ist.

Da ja auch die amtierende Gemeindeverwaltung in den letzten Jahren durch umfangreiche Fußgängerzonen und Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel einiges für die Menschen ohne Autos getan hat, kann die Ankündigung der Volkspartei nur dahin verstanden werden, daß den Menschen mit Autos entschieden der Kampf angesagt wird.

Auf alte Traditionen der Volkspartei greift der Vizebürgermeister mit der Versicherung zurück: „Wir mißtrauen den Technokraten!“ Lange Zeit versuchte die Partei, ohne solche Leute auszukommen, man nannte das „Wirtschaftspolitik beim Weinglas“. Da man den Eindruck hatte, damit den Problemen nicht mehr recht beizukommen, machte Bundeskanzler Klaus damit ein Ende, ebenso die Sozialpartner, als sie den Wirtschaftsbeirat schufen.

Es ist nicht ohne weiteres einzusehen, warum die Entwicklung seit damals wieder umgekehrt werden soll; und wer nun eigentlich die politischen Konzepte liefern wird, denn „vom Schreibtisch“ darf auch nichts mehr geschehen, so daß nicht erkenntlich ist, wie sich wessen „ge- sunder Menschenverstand“ manifestieren soll.

Nun wäre es verfehlt, die Angelegenheit einfach als Unsinn abzutun, denn es ist für ein Gemeinwesen nicht gleichgültig, ob eine große Partei sich einfach aus der Diskussion von Problemlösungsmöglichkeiten durch bunte Träumereien selbst ausschließt.

Gewiß sind die Fragen, die sich unserer Gegenwart stellen, nicht annähernd so furchtbar, wie uns die Massenmedien pausenlos einhämmern, aber alle die relevanten kommunalen Probleme Verkehr, Stadtemeue- rung, Bewahrung des historischen Baubestandes usw. lassen sich dann nicht leichter lösen, wenn nur leere Worthülsen feil geboten- werden. Nicht zu reden von politisch heimatlos werdenden sozialen Gruppen wie Industrielle und gewerbliche Unternehmer, welche zu vertreten die Wiener Volkspartei auf Grund dieser Plakatserie offensichtlich nicht mehr bereit ist

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