6879814-1979_05_16.jpg
Digital In Arbeit

Vorarlberg - „eine einzige Bundesbaustelle“

Werbung
Werbung
Werbung

FURCHE: Bundeskanzler Kreisky hat im Zusammenhang mit den Kernkraftgegnern einmal von einer merkwürdigen Allianz von Rechtsradikalen und Maoisten gesprochen. Haben sich die ebenfalls gegen das Kernkraftwerk Zwentendorf auftretenden Vorarlberger Sozialisten von dieser Äußerung betroffen gefühlt?

WINDER: Nein, konnten wir auch nicht. Brave Sozialdemokraten können sich davon nicht betroffen fühlen. , '

FURCHE: Hat diese Meinungsverschiedenheit das Verhältnis zur Gesamtpartei nicht getrübt?

WINDER: Überhaupt nicht. Die Bundes-SPÖ, im besonderen der Bundeskanzler, hat von allem Anfang an gewußt, daß die Vorarlberger SPÖ ihre konsequente Ablehnung von Kernkraftwerken natürlich auch bei Zwentendorf aufrecht erhalten wird. Wir sind schon früher gegen Rüthi - das geplante Schweizer Kernkraftwerk unmittelbar am Rhein - aufgetreten, es war daher nur eine konsequente Fortsetzung unserer Energiepolitik, daß wir auch gegen Zwentendorf waren. Das hat der Kanzler gewußt und auch respektiert.

Maßgeblich für uns ist, daß das KKW vom Tisch ist. Genauso maßgeblich ist natürlich, daß die Regierung Kreisky damit wieder voll in die Nationalratswahl gehen kann. Sie müssen sich ja nur vorstellen, was gewesen wäre, wenn statt der knappen Ablehnung eine knappe Zustimmung herausgekommen wäre. Das wäre ja wahnsinnig schwierig für die Regierung geworden. So kann man immer sagen: Das Volk hat entschieden.

FURCHE: Kann man dieses Auftreten der Landes- gegen die Bundespartei auch so verstehen, daß Sie sich, unabhängig davon, wer gerade im Bund oder im Land regiert, mehr Föderalismus, mehr Rechte für die Länder wünschen?

WINDER: Wir sind an sich überzeugte Föderalisten, nur glauben wir, daß ein zeitgemäßer Föderalismus nicht in einem gegeneinander von Bund und Ländern bestehen kann, sondern nur in einem vernünftigen Miteinander. Ich halte nichts davon, bei allen möglichen Gelegenheiten, an oder auf der Klagemauer zu stehen und die bösen Zentralisten in Wien anzuklagen, sondern meine Haltung war immer die, wenn es etwas für Vorarlberg herauszuholen galt, das im guten Kontakt mit der Bundesregierung zu machen.

Die Tatsache, daß wir heute in diesem Lande ununterbrochen bauen und daß die größten Bauvorhaben in der Zeit einer sozialistischen Regierung entstanden sind - wie der Arl-berg-Tunnel, der ein Jahrhundertbauwerk ist - zeigt, daß dieser Weg des Miteinander richtig ist. Denken Sie nur an den Güterbahnhof in Wol-furt, ein Milliardenprojekt, an den Pfändertunnel, an den Arlbergtun-nel, an die Autobahnbauten, an die Bundesschulen, die jetzt gebaut wurden - man könnte fast sagen: eine einzige Bundesbaustelle.

FURCHE: Hat dazu nicht auch die Landesregierung viel beigetragen?

WINDER: Natürlich haben sie mitgetan. Ich will das nicht bestreiten. Man muß aber anderseits auch sagen, daß es doch einzelne Mitglieder der Landesregierung gibt, die immer noch glauben, gegen den Bund sei mehr zu erreichen als mit dem Bund.

FURCHE: Wen meinen Sie da konkret?

WINDER: Ich würde den Landeshauptmann als einen Vorkämpfer dieser Idee bezeichnen. Er war immerhin einer derjenigen, die die berühmte Strauß-Parole „Freiheit statt Sozialismus“ nach Österreich importierten, und er hat bei allen möglichen Gelegenheiten immer wieder seine Stimme gegen den Bund erhoben.

Photo: Vorarlberger Landesregierung

FURCHE: Wie lautet ihr Wahlziel für die nächsten Landtagswahlen?

WINDER: Wir sind bei keiner Landtagswahl nach 1945 über die 30 Prozent hinausgekommen, wohl aber bei der Nationalratswahl dank Kreisky. Nun möchten wir versuchen, auch bei der Landtagswahl endlich einmal diese 30-Prozent-Hürde zu erreichen und zu überschreiten. Das würde dann auch den Gewinn eines Mandates bedeuten, wir hätten dann elf von 36.

FURCHE: Welche Regierungsform ■würden Sie persönlich auf Bundesebene bevorzugen?

WIND ER: Persönlich würde ich als zweitbeste Lösung - als Sozialdemokrat kann man von mir die Große Koalition nicht als beste Lösung erwarten - eine Zusammenarbeit der großen Parteien für gut halten. Ich glaube einfach, daß die großen Probleme, die auf uns zukommen, eine breite Mehrheit brauchen.

FURCHE: Wie lauten Ihre persönlichen Schwerpunkte innerhalb des SPÖ-WahlprogrammS?

WINDER: Da ist die Gesundheit mit dem Schwerpunkt: Der Patient im Spital. Es ist uns gelungen, im Spitalsgesetz des Landes, das vor kurzem verabschiedet wurde, als erstem Spitalsgesetz in Österreich eine völlig neue Position für den Patienten im Spital herauszuschlagen. Es gibt jetzt eine Bestimmung, in der das seelische Wohl des Patienten im Mittelpunkt steht. Das halten wir doch für bahnbrechend, weil doch die Tendenz im ganzen Spitalsbereich mehr in Richtung zunehmender Technisierung läuft.

Umwelt - natürlich Schwerpunkt unsere Alternativpolitik zur Kernenergie. Wir haben eine internationale Kommission gebildet, deren Ziel ist, Alternativenergien zu suchen. Wir haben auch im Landtag Vorschläge zur besseren Wärmedämmung bei Bauten gemacht, das ist leider bei uns noch nicht gesetzlich normiert wie in anderen Bundesländern, und zur Förderung der Solarenergie.

Nächster Schwerpunkt - die So-

zialpolitik: das kommt daher, weil ich drei Jahre lang das Gesundheits- und Sozialressort geführt habe. In der damaligen Zeit haben wir ein Alten-hilfeprogramm mit einer völlig neuen Konzeption der Sozialversorgung ausgearbeitet, nämlich das ganze Land in überschaubare Sozialsprengel eingeteilt - ein Sozialsprengel hätte etwa 2500 Einwohner. Im Mittelpunkt eines solchen Sozialspren-gels stünde eine Sozialstation, von der aus die ambulanten Dienste, wie Essen auf Rädern, Krankenpflegedienst, Wäschepflegedienst, Hausbesorgungen und alle diese Dinge angeboten würden.

Außerdem würde von dieser Station aus die Nachbarschaftshilfe organisiert werden. Das ist sehr wichtig, denn man kann sich nicht darauf verlassen, daß die Nachbarn einander von selbst helfen.

Mit LAbg. Ernst Winder sprach Heiner Boberski

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung