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Zahme Reform für die Ämter

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„Das ist eine sehr undankbare Aufgabe. Alle verlangen, daß der Staat immer mehr an Agenden übernimmt. Es ist dann äußerst schwierig, das Uberwuchern der Bürokratie in den Griff zu bekommen."

SPÖ-Klubobmann Heinz Fischer kennt die Probleme der Allstaatlichkeit und sorgt sich daher auch um Strategien, der Aufblähung des Verwaltungsapparates Herr zu werden: „Das wirksamste Gegenmittel ist eine sparsame Bewirtschaftung."

Dann zufrieden: „Das spielen wir gerade."

Der Zentralist kümmert sich um organisatorische Effizienz. Die staatliche Dominanz im gesellschaftlichen Getriebe plagt ihn weniger.

Auch Gerhard Holzinger, Verwaltungsreformer des Bundeskanzleramtes, rekurierte am 3. Oktober anläßlich einer Kanzleramts-Enquete „Bürger-nahe Verwaltung" auf das Bedürfnis der Bevölkerung nach Schutz und ihrem vermeintlichen Ruf nach dem Staat.

Seiner Uberzeugung nach sei die zentrale Verwaltung der alleinige Garant für bürgerliche Geborgenheit.

So stellen die SP-Mannen die allumfassende Zuständigkeit staatlicher Organe auch gar nicht in Frage. Schließlich ist politischer Einfluß in einem breitgefächerten und alle Lebensbereiche durchdringenden Verwaltungssystem leichter zu sichern als in dezentraler und subsidiärer Struktur.

Freilich will auch die Regierungsmannschaft am staatlichen Apparat einiges verbessert wissen. In tätiger Selbstkontrolle präsentieren die Sozialisten Reformvorschläge im Sinne von mehr Bürgernähe:

Nach dem Verständnis der roten Riege wurzelt das BUrokratiedebakel

• nbsp;in mangelnder Transparenz,

• nbsp;in Schwellen- und Zugangsproblemen,

• nbsp;in Kompetenzproblematik,

• nbsp;in der Unverständlichkeit der Amtssprache,

• nbsp;in langen Erledigungszeiten und schließlich

• nbsp;in einer benützerfeindlichen Gestaltung von Sprechzeiten und Formularen.

Die große Oppositionspartei lokalisiert die Klagegründe anderswo. Sie gibt die Hauptschuld an der Misere dem Machtzuwachs des Staates und der Vorschriftenflut, „die jegliche freie Entfaltungsmöglichkeit der Menschen zu ersticken droht" (Diskussionspapier zur Bürokratie-Enquete des ÖVP-Wirtschaftsbunds).

Während Holzinger das Verhältnis Staat-Bürger als ein vom Bürger gewolltes Tauschgeschäft „Steuern gegen staatliche Leistungen" verstanden wissen will, stoßen sich die Schwarzmannen, bestärkt durch Bürokratenschreck Northcote Parkinson (siehe auch nebenan), an dem „Ubermaß an Verwaltung und der Zunahme des Staatsanteiles am Bruttosozialprodukt".

Mit präzisen Zahlen demonstrieren sie den Anstieg der Staatsquote: Seit Regierungsantritt der Sozialisten (1971) kletterte die Ausgabenquote von rund 43 Prozent auf über 50 Prozent bis zum Jahre 1977.

Die Folgen dieser „Allzuständigkeit, analysieren die ÖVP-Wirtschafts-bündler so:

• nbsp;Einschränkung der menschlichen Freiheit,

• nbsp;Erstickung der Privatinitiative und des gesellschaftlichen Engagements,

• nbsp;Entfremdung vom Staat und Rückzug ins Privatleben.

Sie führen den Nachweis, daß gerade der zentrale Bürokratismus mit seinem Paragraphengestrüpp die Ursache von Unzufriedenheit, Unsicherheit und Angst sei.

„Wir müssen versuchen, die Verwaltungsmonopole zu reduzieren, Multifunktionäre abzuschaffen, Dezentralisierung zu fördern und der Kostenexplosion in der Verwaltung Einhalt zu gebieten", formuliert Wiens ÖVP-Vi-zebürgermeister Erhard Busek sein antibürokratisches Credo.

Die Wirtschaftsmacher wollen die Übertragung von Aufgaben an private und nichtstaatliche Institutionen prüfen und streben nach Ausgliederung von Aktivitäten aus der staatlichen Zwangsjacke.

So soll beispielsweise die Errichtung „kleiner Netze" - Zusammenschluß mehrerer Haushalte zur gemeinsamen Versorgung mit bestimmten Gütern und Dienstleistungen (Pflege- und Gesundheitsdienst) - die „Privatisierung" vorantreiben.

Dagegen freilich sperrt sich Heinz Fischer mit Vehemenz und Engagement: „Mit einer Reprivatisierung von Staatsaufgaben ist immer ein Funktionsverlust verbunden." Zwar müht sich der SPÖ-KIubobmann um Flexibilität („man soll durchaus nicht stur sein"), dennoch: „Mir fallt in Österreich keine Einrichtung ein", die er privaten Händen anvertrauen möchte.

Seine Urangst: „Private Aktivitäten sind immer gewinnorientiert.quot;

Der ÖVP-Abgeordnete und Parteiintellektuelle Heinrich Neisser zieht deshalb auch den psychologischen Schluß: „Das politische Interesse der Regierung an einer Bürokratiereform ist äußerst gering."

Und Neisser will daher die Diskussion auf Parlamentsebene verlagern. Durch Initiativanträge, Berichte und die Einrichtung eines ständigen Unterausschusses für Bürokratiereform soll das Thema am Tisch bleiben und die Abgeordneten zwingen, „sich kritisch und verantwortlich" einer Verwal-tungsentrümpelung langfristig zu stellen.nbsp;

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