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Humanisten und Computer
Hier liegt der Bericht einer Tagung vor, „auf einer gemeinsamen anthropologischen Grundlage von Vertretern verschiedener Disziplinen unternommen“ (9), die im Sommer 1965 von der interkonfessionellen Stuttgarter Gemeinschaft „Arzt und Seelsorger“ veranstaltet worden war.
Das Thema ist in zweifacher Hinsicht sehr aktuell: Mit der Entwicklung der elektronischen Rechenmaschine durch Norbert Wiener ist nicht nur die Wissenschaft der Kybernetik entstanden, sondern ein ganz neuer Impuls auf den Verlauf unseres industriellen Zeitalters ausgegangen, so daß man nicht selten vom jetzt erst möglichen vollen Anbruch des Maschinenzeitalters spricht, der selbsttätigen Maschine, die eine genaue Berechnung und Voraussage der Zukunft voraussetzt. Selbst das Menschenbild ist durch die Ergebnisse einer empirischen Psychologie, die von der Hypothese einer psychoneutralen Identität ausgehend das menschliche Gehirn einem Computer gleichsetzt, zutiefst betroffen. Man spricht von einer technisch-wissenschaftlichen Revolution heute.
Zum anderen ist die Fragestellung nach der marxistischen Theorie von der Entfernung des Menschen aktuell, weil das neuentdeckte humanistische Ethos des jungen Marx zu einer Veränderung der marxistischen Philosophie geführt hat, nämlich in Verbindung mit den szientistisch-pragmatistischen Strömungen aus obiger Entwicklung zu einem neuen Optimismus dieser Kreise hinsichtlich der Verwirklichung der seinerzeitigen Marx-schen Utopie.
Westlicher wie östlicher Fortschrittsglaube reichen sich so die
Hände, während das christliche Denken ebenfalls begonnen hat, um den Fortschritt und den Menschen sich in dieser Welt zu bemühen, aber unter Wahrung der Transzendenz, besser im Wissen und Vertrauen auf die Transzendenz.
Heute ist die Psychologie für die Formung des Menschenbildes wie für die Lösung vieler moderner Lebensprobleme von entscheidender Bedeutung geworden. Und von dieser Seite werden nun in diesem Bericht aus ärztlicher, nicht zuletzt psychotherapeutischer Sicht in Zusammenarbeit mit Arbeitsphysiologen und -Psychologen, ökonomisch und sozialwissenschaftlich ausgebildeten Theologen die Probleme der Arbeit in ihren Auswirkungen auf den Menschen unter den Bedingungen des heutigen Standes von Wissenschaft und Technik angepackt. Ein gewiß sehr interessantes Thema, über das hier eine Reihe berufener Fachleute referiert, oft mit einem guten Apparat von Anmerkungen, meist auf einem hohen Niveau.
Bei solchen Büchern einzelne herauszugreifen, ist immer in einer kurzen Besprechung schwierig. Allein schon die einleitende Übersicht von W. Bitter ist eine gediegene eigene Arbeit mit sehr wertvollen Bemerkungen zu einer empirisch begründeten philosophischen Sozialanthropologie.
Ein Buch, das nicht nur den zuerst angesprochenen Kreis von Arzt und Seelsorger interessiert, sondern alle, die sich heute mit der Entwicklung der anthropologischen Wissenschaften, zuletzt aber mit der Frage nach dem Ethos unserer Kultur befassen.
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