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Notorische Bedenkenträger der Republik vom Bundespräsidenten abwärts zeigen sich skeptisch gegenüber dem von allen Parteien forcierten Ausbau der direkten Demokratie. Aber manchmal haben die Bremser recht.

Endlich hat die Politik wieder ein Thema jenseits von (mutmaßlichen) Skandalen und Affären: Sie beschäftigt sich mit sich selbst. Genauer gesagt damit, wie sie ihr ziemlich ramponiertes Image aufbessern und wieder an Attraktivität gewinnen könnte. Das Zauberwort heißt "Direkte Demokratie“ - mittels verstärkten Einsatzes einschlägiger Instrumentarien will sich die Politik gleichsam in Münchhausen’scher Manier am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen; an dessen Entstehen sie, nebenbei bemerkt, im Unterschied zum berühmten "Lügen-Baron“ durchaus selbst schuld ist.

Mehr Volksabstimmungen also: Wenn so einhellige Begeisterung aufkommt, ist Skepsis angebracht. Handelt es sich gar um kollektives lautes Pfeifen im Wald? Es gibt immer wieder gute Gründe, notorische Bedenkenträger zu kritisieren. Nein, es kann und soll nicht alles bleiben, wie es ist. Aber nur weil der Bundespräsident oder ein ehemaliger Verfassungsgerichtshof-Präsident zur Vorsicht mahnen, muss das auch noch nicht falsch sein.

Überzogene Bundespräsidenten-Schelte

Heinz Fischer warnte im Kurier vor einer Umgehung des Parlaments und ließ eine klare Präferenz für die Idee der repräsentativen Demokratie erkennen: "Sie (die Politiker; red.) müssen bereit sein, Entscheidungen zu treffen und diese nicht an ihre Auftraggeber, also die Wählerinnen und Wähler, zurückgeben.“ Und - was soll daran falsch sein? Die einhellige Schelte von FPÖ, BZÖ und Grünen ("musealer Gralshüter“, "selbstherrlicher Kaiser“, Arroganz) mutet jedenfalls reichlich überzogen an.

Zurecht hat Ex-VfGH-Präsident Karl Korinek darauf hingewiesen, dass es nicht um mehr oder wenige direkte Demokratie, sondern um die Qualität der Gesetzgebung gehe. "Der entscheidende Diskurs und die entscheidende Willensbildung“ müsse im Parlament stattfinden, so Korinek. Was seiner Ansicht nach auch gegenwärtig nicht hinreichend passiert: "Es wird immer öfter so getan, als hätten wir eine Regierungsgesetzgebung“, die Einbindung des Parlaments sei zu schwach, kritisierte er.

Das deutet in die richtige Richtung: Eine Blutauffrischung des Parlamentarismus wäre dringend geboten. Zugegeben, auch das ist schon ein alter Hut - aber einer, den man nicht achtlos am Haken hängen lassen, sondern abstauben und aufsetzen sollte. Das finge bei der Auswahl der (potenziellen) Mandatare an - in der jetzigen Zusammensetzung ist der Nationalrat nur sehr bedingt repräsentativ für die österreichische Gesellschaft, etwa was die Berufsgruppen betrifft - und müsste bis dahin gehen, dass das Parlament nicht bloß (siehe Korinek) als Vollzugsorgan der Regierung fungiert und auch so wahrgenommen wird.

Das Unbahgen an der Politik rührt nicht daher, dass die Leute zu wenig gefragt werden. Sondern dass sie spüren, dass sie für blöd verkauft werden; dass Dinge nicht beim Namen genannt, sondern durch Politsprech vernebelt werden; dass Entscheidungs- und Durchsetzungsstärke inszeniert werden, wo es wenig (auf nationaler Ebene) zu entscheiden und durchzusetzen gibt.

Alternativen zur Alternativlosigkeit

Das Schlüsselwort in diesem Zusammenhang ist vielleicht das berühmte Merkel’sche "alternativlos“: Wenn etwas ohnedies alternativlos ist, dann kann man sich - im besseren Fall, wenn man mit der Entwicklung einverstanden ist - entweder zurücklehnen, oder aber man resigniert bzw. ballt die Faust im Hosensack. Alle drei Varianten bedeuten Entfremdung von der Politik. Das gilt beileibe nicht nur für die EU/Euro-Thematik. Wenn dann der Ruf des Sarrazin verkündet, es gäbe sehr wohl Alternativen, dann kann er sich der Zustimmung vieler und des Interesses fast aller sicher sein. Die darauf folgende Empörung des politmedialen juste milieu verstärkt dabei jene Entwicklungen und Tendenzen, die zu bekämpfen sie vorgibt. - Der Inbegriff der Alternativlosigkeit in Österreich ist übrigens die Große Koalition (die wenigen Ausnahmen bestätigen die Regel). Da nützt auch mehr direkte Demokratie nichts.

* rudolf.mitloehner@furche.at

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