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Salazar im Kreuzfeuer

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Den Auftakt zur diesjährigen politischen Saison in Portugal bildete die gemeldete Verhaftung von 20 bis 30 Kommunisten, die erste dieser Art seit der Aushebung einer KP-Zelle im Mai. Das Vorhandensein einer oder sogar mehrerer kommunistischer Parteien ist unbestreitbar, für ihre häufig behauptete Allgegenwart bei allen gegen das Regime gerichteten Aktionen aber fehlt der überzeugende Beweis.

Jedenfalls kann man schwer an ihren Einfluß auf die jüngste Manifestation von 50 Angehörigen der „demokratischen Opposition“, durchweg liberal-konservativen, aus dem Besitzbürgertum stammenden Persönlichkeiten, glauben. Diese Männer überreichten Staatspräsident Admiral Thomaz ein Expose, in dem sie die Respektierung der Salazarschen Verfassung von 1933, also Presse- und Koalitionsfreiheit sowie freie Wahlen, fordern, ferner die Befreiung der politischen Gefangenen, Verhandlungen mit den afrikanischen Nationalisten über die Zukunft der überseeischen Provinzen und als unabdingbare Voraussetzung für all das die Entlassung Salazars verlangen. Es erscheint absurd, an den Staatspräsidenten, der durch Salazars Gnaden zu seinem Amt kam, solches Ansinnen zu stellen. Doch diese schon öfter angewandte Taktik ist nicht so abwegig. Salazar selbst erklärte in einem der brasilianischen Zeitung „O Globo“ im August 1961 gegebenen Interview: „Ich bin nichts als ein Kabinettminister. Der Präsident der Republik steht über mir und kann mich heute oder morgen entlassen.“ Der Gedanke daran mag angesichts der Machtfülle des Premiers zum Lächeln reizen, die Möglichkeit dazu aber besteht.

Nun baut die Opposition darauf, daß ein Kondominium mit Salazar den Staatspräsidenten, will er mehr als bloßer Repräsentant der Macht nach außen sein, in Gegensatz zum Premier bringt. So geschah es jedenfalls unter Thomaz' Vorgänger, Marschall Craveiro Lopes, der — vielleicht aus Ehrgeiz — allmählich zum Gegenspieler Salazars innerhalb des Regimes wurde und heute Führer der Reformisten im Regierungslager, damit erklärter Widersacher des Ministerpräsidenten ist. Auf eine Wiederholung dieses Vorganges hofft die demokratische Opposition und wird darum nicht müde, von Zeit zu Zeit dem Staatsoberhaupt zuzurufen: „Entlassen Sie Salazar!“

In die gleiche Kerbe haut eine achtseitige, illegal verbreitete Schrift der „unabhängigen Monarchisten“. In ihr werden administrative Freiheit für die überseeischen Provinzen und deren stärkere, auf Grund freier Wahlen zustande gekommene Vertretung im Parlament als Lösung der Kolonialfrage vorgeschlagen. Ferner soll das Überseeministerium aufgelöst und seine Aufgaben den lokalen Behörden in Afrika übertragen werden. Das bedeutet Umwandlung der Kolonien in weitgehend autonome Staatsgebilde, eine Konzeption, die der Salazars völlig zuwiderläuft, also dessen Sturz voraussetzt, soll sie Wirklichkeit werden. Bemerkenswert ist, daß die Auffassung von Monarchisten über die Überseeterritorien mit der des ehemaligen republikanisch-demokratischen Ministerpräsidenten Cunha Leal, einer der oben erwähnten 50 Petitionäre beim Staatsoberhaupt, ziemlich übereinstimmt, dessen Buch über diese Frage, „Das Vaterland in Gefahr“, jetzt erschien und erhebliches Aufsehen erregte.

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