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Nach nächtelangen Verhandlungen mit den Vertretern der Kaölitions-parteien des Linken Zenitrums und einsamen Stunden am Schreibtisch, ist es Emilio Colombo endlich gelungen, das Unmögliche möglich zu machen; das heißt in diesem Fall vor allem, Sozialdemokraten und Linkssozialisten, die noch vor 13 Monaten vereinigten italienischen Sozialisten, für eine gemeinsame, einigermaßen belastungsfähige Regierung zu gewinnen. Damit hat er zwar ebensowenig wie sein großer Namensvetter Cristoforo Colombo eine neue Welt entdeckt, doch immerhin einen Ausweg aus einer höchst verzwickten Situation gefunden. Und meinte jener vor 478 Jahren, auf seiner Schiffahrt nach Westen in Indien zu landen, so muß Colombo 1970 froh sein, wenn er einmal mehr Italien die totale Linksöffnung (Zusammenarbeit mit KPI auf Regierungsebene) ersparen konnte

Versuchte Andreotti vor zwei Wochen, seine unzimperlichen (lies: autoritativen) Christlichen Demokraten auf ein gemeinsames Regierungsprogramm zu verpflichten, so hat sich Colombo nach vergeblichen Bemühungen in dieser Richtung damit abgefunden, die Delegation der Links-Mitte-Parteien ein Dokument gutheißen zu lassen, das wenigstens all die Punkte enthält, die den Koalitionspartnern besonders wichtig erscheinen. Der Leitartikel des „Cor-riere della Sera“ bezeichnet dieses Dokument als eine „summa“ an Anlehnung an die Summa Theologica des Thomas von Aquin. In seiner „summa politica“ geht es Colombo darum, die einzuschlagende Politik so ausgewogen darzustellen, daß „keine Regierungspartei alle ihre Wünsche und Anliegen darin gänzlich vertreten sieht, doch jede darin das Bemühen um eine Klarstellung und um eine Zusammenfassung dessen, was alle gemeinsam verbindet, entdecken wird“. Colombo hält fest, daß die Regional-, Provinz- und Gemeindeverwaltungen nach Möglichkeit und in den meisten Fällen in Übereinstimmung mit der die nationale Regierung ausmachenden Formel „Links von der Mitte“ gebildet werden sollten. Doch gelte es. zu bedenken, daß das, was an der Peripherie geschieht, die Politik in der Hauptstadt nicht zu beeinflussen vermag. Damit sehen sich die Sozialdemokraten nicht zufriedengestellt, und es hat sie denn auch eine Marathonsitzung bis gegen das Morgengrauen gekostet, ehe sie „Colombos Liste frommer Wünsche“ zugestimmt haben.

Ist es wahr, daß — wie Montanelli sagt — die italienischen Politiker zunächst Italiener und dann erst Politiker, und vorher noch Männer und dann erst Italiener sind, so mag es auch zutreffen, was die Witzbolde sich jetzt erzählen: Daß es über Colombos unbestreitbare Fähigkeiten hinaus die Frauen der italienischen Politiker gewesen sind, die ihren schlechteren Hälften einmal mehr das Ultimatum gestellt hätten, vor dem 15. August handelseinig zu werden. Auffallend ist es, daß eine Hochsommerkrise in Italien bereits zur Tradition geworden ist, die Politiker es dann aber jedesmal vor dem Feste Maria Himmelfahrt zur Vertrauensabstimmung kommen ließen. Mag der italienische Staat mit seiner Gesetzgebung nicht erst seit gestern im argen liegen, so ist das Brauchtum von alters her sakrosankt. Den Ferragosto-Höhepunkt nicht mit der Familie zu verbringen, ist in Italien ein derart grober Verstoß gegen das Reich der Mütter und Madonnen, daß es kein Politiker wagt, diesem ungeschriebenen (aber vielleicht hierzulande gerade darum so wichtigen) Gesetz nicht Achtung zu verschaffen. Im übrigen sind die Italiener im Juli vollends streikmüde und im August auch noch so krisenmüde und urlaubsreif geworden, daß gar nichts mehr anderes übrig blieb, als gegenüber Colombos vorsichtiger Synthese des Wünschenswerten und Erforderlichen klein beizugeben. Die mißliche ökonomische Lage, in der sich Italien jetzt befindet, läßt es überdies angezeigt erscheinen, die Regierungsführung einem Mann anzuvertrauen, der sich jahrelang als Wirtschaftsfachmann von Format und internationaler Geltung ausgewiesen und bereits vor sechs Jahren das Land aus einer Krise herausgeführt hat.

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