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Demaskierung von „Peppone“

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Ironie und Gutmütigkeit, lebhafter und geistreicher Stil und die karikaturalen Illustrationen des Verfassers haben Giovanni Guareschis „Don Camillo und Peppone“ zu dem nun schon in viele Sprachen übersetzten so erfolgreichen Buch gemacht. Und wer hätte nicht auch den gleichnamigen Film, mit dem französischen Komiker Fernandel in der Hauptrolle, gesehen?. Zwischen Buch und Film haben tatsächlich das . Werk Guareschis und damit seine Ideen eine unerwartete und ungeheure Verbreitung erlangt, die der Künstler Guareschi sicher wohl verdient hat.

Was aber war das Ergebnis? Der mit italienischen Verhältnissen nicht vertraute Leser, ja sogar selbst mancher Italiener, dem die norditaiienische Mentalität weniger geläufig war, glaubten mit der ’ dem Großteil der Leser und Kinobesucher eigenen Oberflächlichkeit, sich daraus ein politisches Urteil bilden zu können: sie vergaßen, daß das Buch eben ein humoristischer Roman und der Film eben ein Lustspiel sind; jenes ist kein Tatsachenbericht und dieser kein Kulturfilm.

Das Publikum war von diesen Werken in einer Art gefangengenommen, wie es sich ein Autor nur wünschen kann, und ließ sich zu der von dem alles eher als kommunistenfreundlichen Guareschi sicher weder vorhergesehenen noch gewollten irrigen Bewertung des italienischen Kommunismus verleiten.

Immer wieder hört man sagen, der Kommunismus in Italien sei ein anderer als der in anderen Ländern, er sei keine so ganz ernst zu nehmende Sache, keine wirkliche Gefahr; der italienische Kommunist sei eben ein — „Peppone“ — wohl hitzig, manchmal vielleicht auch etwas gewalttätig, aber im Grunde doch sehr gutmütig und sympathisch. Und würde man ihn erst einmal richtig behandeln und ihm menschenwürdige Lebensbedingungen schaffen, so würde er der beste Staatsbürger werden. So weit die „gut Informierten“.

Die Wahrheit sieht nun allerdings etwas anders aus.

In der Provinz Ferrara, unweit des Ortes der Handlung von „Don Camillo und Peppone", wurde kürzlich ein seit fast zwei Mo naten andauernder Streik der landwirtschaftlichen Arbeiter beendet.

Zum Abschluß der Budgetdebatte des Innenministeriums im Senat der italienischen Republik kam Ministerpräsident Scelba, sehr zum Mißvergüngcn des extrem-linken Sektors, in seiner offiziellen Erklärung auch darauf zu sprechen und gab trotz häufiger wilder Unterbrechungen der Linken folgende amtlichen Berichten entnommene Zahlen bekannt:

1 Milliarde und 600 Millionen Lire (das sind 64 Millionen Schilling) beträgt der Gesamtschaden, den die Volkswirtschaft erlitten hat; 39 Ziehbrunnen wurden verunreinigt; 19 Fälle von Angriffen auf nicht streikende Arbeiter und auf Besitzer mußten abgewehrt und 47 auf Anweisung der kommunistischen Arbeiterkammer erstellte Straßensperren beseitigt werden. Um die von der Verfassung garantierte Arbeitsfreiheit zu gewährleisten und 10.500 Stück Rinder vor dem Hungertode und vor der drohenden Seuchengefahr zu erretten, mußte die Regierung zum Schutz eines so bedeutenden Teiles des Volksvermögens und zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung Abteilungen der Polizei und sogar des Heeres einsetzen, die auch die Stallarbeiten zu verrichten hatten.

Diese Zahlen beziehen sich aber nur auf das Gebiet der Provinz Ferrara. In den umliegenden Provinzen hat die Streikwelle allerdings bisher noch keine so erschreckenden Ausmaße angenommen, weil durch das dort charakteristische Wirtschaftssystem der Halbpacht ein Streik auch den mitbesitzenden Arbeitnehmer schädigen würde; aber auch hier ereigneten sich arge Ausschreitungen, die für die allernächste Zukunft wenig Gutes versprechen.

In der Industrie und in den öffentlichen Betrieben ist die Lage wenig anders.

Nach einigen Jahren verhältnismäßiger Ruhe, in denen die Kommunistische Partei Italiens ihre Kräfte sammelte und ihre Organisation weiter ausbaute, tritt sie nun neuerdings zu einer Kraft- und Generalprobe zutage; und dies keineswegs um den darbenden Arbeitern zu helfen — die haben längst in den vergangenen unbezahlten Streikwochen ihre Lohnaufbesserung eingebüßt —, sondern nur um in einem für die italienische Politik schon genug kritischen Moment einmal hier und einmal da Unordnung und Aufregung zu stiften, um dann ungestört und erfolgreich im trüben fischen zu können.

Die endgültige Ratifizierung des Vertrages der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft zu verhindern, war bis vor kurzem — solange nämlich die Entscheidung noch nicht in Frankreich gefallen war — eines der vor dringlichsten Anliegen der Moskauer Befehlshaber. In Italien, wo die Kommunistische Partei zahlenmäßig stärker ist als in allen andern Ländern des freien Europa, muß man auf innenpolitischem Boden der Regierung das Leben schwer machen. Das gelingt am leichtesten unter der Tarnung gewerkschaftlicher Forderungen, die unschwer die Gemüter erregen und das Klima überhitzen. Bezeichnend für den politischen Beweggrund der letzten

Streikwelle ist die Tatsache, daß die nichtkommunistischen Gewerkschaften sich von dieser Aktion bewußt getrennt haben. In diesem Augenblick scheint Moskau sein Augenmerk auf Iwlien konzentriert zu haben. Die Drahtzieher des Weltbolschewfismus wissen sich immer psychologisch richtig Ort und Zeit zum Handeln auszuwählen und sich den Verhältnissen anzupassen.

Diese Gedanken ergeben die eindeutige

Warnung vor einem allzu voreiligen und allzu oberflächlichen Urteil über den italienischen Kommunismus, denn, mag es auch den einen oder anderen „Peppone“ in Fleisch und Blut geben, so ist er doch keineswegs das Abbild des Wesens eines Kommunisten in Italien. Eine Verallgemeinerung ergäbe ein arg verzerrtes Bild, das zu falschem, ungerechtfertigtem, gefährlichem und einschläferndem Optimismus verführen könnte.

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