Bruno Kreisky und Jassir Arafat - © Foto: APA/Robert Jaeger

Österreichs Außenpolitik: Von Fußstapfen und Tiefstaplern

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Welche Rolle spielt Österreich auf dem internationalen Parkett? Eine zu geringe, sagen Kritiker. Angesichts der hochgerühmten Neutralität verliere das Land zunehmend an Einfluss und Gestaltungsmöglichkeit. Ein kritischer Blick auf die Performance der heimischen Außenpolitik.

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Welche Rolle spielt Österreich auf dem internationalen Parkett? Eine zu geringe, sagen Kritiker. Angesichts der hochgerühmten Neutralität verliere das Land zunehmend an Einfluss und Gestaltungsmöglichkeit. Ein kritischer Blick auf die Performance der heimischen Außenpolitik.

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Der Regen, der die ganze Nacht über auf Sopron niederprasselte, hat den Boden aufgeweicht. Zwar scheint am Morgen des 27. Juni 1989 im österreichisch-ungarischen Grenzgebiet wieder die Sonne, die Schuhe der Protagonisten müssen dennoch leiden. Sowohl jene des ungarischen Außenministers László Nagy als auch die Lederschuhe seines österreichischen Amtskollegen Alois Mock versinken in der sumpfigen Landschaft rund um das Grenzgebiet. Doch beide Herren haben an diesem Tag anderes zu tun, als sich um die Beschaffenheit ihres Schuhwerks zu kümmern. Mit großen Kneifzangen montieren die Außenminister den Stacheldraht an der Grenze zwischen Österreich und Ungarn ab. Die Bilder gehen um die Welt. Der Eiserne Vorhang ist Geschichte. Österreichs Rolle als aktiver Spieler in der Außenpolitik auch.

„Österreich bleibt aktuell hinter seinen außenpolitischen Möglichkeiten als neutraler Staat“, sagt Thomas Roithner, Friedensforscher und Privatdozent für Politikwissenschaft an der Universität Wien. Einst als Musterschüler und Vorzeigenation in der Außenpolitik aufgetreten, verliert Österreich mittlerweile international zunehmend an Einfluss und Gestaltungslust. Laut Roithner sind dafür unter anderem die Rahmenbedingungen verantwortlich. So beispielsweise die sinkende Personaldecke im Außenministerium. Ende Dezember 1985 hatte das Außenamt 1457 Mitarbeiter, 2000 waren es 1489, heute sind es 1113.

Der Beitritt zur EU als „Zäsur“

Mock war in der Sumpflandschaft von Sopron keine Ausnahme. Im Gegenteil. Im vorangegangenen Jahrtausend zeigten mehrere österreichische Politiker internationales Profil. Besonders unter Bruno Kreisky kam es zu einer aktiven Neutralitätspolitik. Kreisky suchte persönlichen Kontakt zu Machthabern im Globalen Süden, wie dem Gründer des neuen Indiens Pandit Nehru, zu dem er, wie auch später zu dessen Tochter Indira Ghandi, eine enge freundschaftliche Beziehung aufbaute. Ohne Kritik ging diese Phase nicht über die Bühne.

Aus CIA-Akten geht über den längstdienenden Kanzler hervor, dass die USA Kreiskys Nahostpolitik mit Argusaugen beobachteten. Kreiskys internationale Beliebtheit verschlechterte sich, als er 1979 als erster westlicher Regierungschef den ehemaligen palästinensischen Präsidenten Jassir Arafat offiziell empfing. Die Umarmung Kreiskys und Arafats auf dem Flughafen in Wien erzeugte Argwohn. Die ÖVP warf dem damals allein regierenden SPÖ-Kanzler Antiamerikanismus vor. „Kreisky hatte aber einen klaren Plan, wie er Außenpolitik gestalten wollte, und schmiedete mit Willy Brandt, dem Schweden Olof Palme oder dem finnischen Premierminister Urho Kekkonen eine gelungene Kooperation“, sagt Roithner. Mit der Annäherung an den Nahen Osten habe Kreisky bewusst eine Lücke gefüllt, in der ein neutraler Staat seinen Gestaltungsspielraum beweisen konnte. Die Kritik habe er in Kauf genommen.

Die Zeit sprach damals für Österreich. Mit Kurt Waldheim als UNO-Generalsekretär und dem Bau der UNO-City habe Österreich auch auf dem internationalen Parkett an Bekanntheit und Profil gewonnen. Parallel zum Ende der Ära Kreisky nahmen die Spannungen zwischen Ost und West wieder zu. Österreich konzentrierte daraufhin seine außenpolitischen Bemühungen „mehr auf Europa und weniger auf die globale Politik“, analysiert Roithner.

Mit dem Beitritt zur Europäischen Union sei es schließlich zur „Zäsur“ gekommen, sagt Roithner. Bei sicherheitspolitischen Fragestellungen habe man sich weitgehend der EU-Linie angeschlossen. In der OSZE und der UNO versäume es Österreich, sein Potenzial zu nutzen. Roithner sieht Österreichs Rolle im Bereich der zivilen Krisenprävention und zivilen Konfliktbearbeitung. Österreich spiele in diesem Bereich abermals seine geografische Lage in die Karten: „Ein mitteleuropäisches Land umgeben von NATO-Staaten, die nun allesamt in militärische Aufrüstung investieren, kann leicht einen anderen Weg einschlagen.“ Statt wie zuletzt primär über eine Anhebung des Heeresbudgets zu diskutieren, solle Österreich seine Kräfte auf die Kernelemente der zivilen Krisenprävention richten. Dazu zähle der Einsatz von Experten, die mit zivilen Methoden an den Ursachen, Verläufen und Folgen von Konflikten arbeiten. „Zivile Beiträge sind kein unsolidarisches Trittbrettfahren, sondern zentrale Leistungen zur Stärkung des Gewaltverbots und zur Vertrauensbildung.“

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