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Christentum in der Gegenwart

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GEISTLICH UND WELTLICH. Eine Studie Iber die jenseitigen und diesseitigen Aspekte des Christentums. Von Arthur Michael Ramsey, Erzbischof von Canterbury. Frankfurt Main, Knecht Verlag 1968, 107 Seiten, DM 8.80.

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GEISTLICH UND WELTLICH. Eine Studie Iber die jenseitigen und diesseitigen Aspekte des Christentums. Von Arthur Michael Ramsey, Erzbischof von Canterbury. Frankfurt Main, Knecht Verlag 1968, 107 Seiten, DM 8.80.

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In dem aus Vorlesungen an der Lon- doner Universität (gehalten 1964) entstandenen Werk beschäftigt sich der Primas der Kirche von England mit einem der brennenden Probleme gegenwärtigen Christentums: dem Verhältnis zwischen Diesseitigkeit und Jenseitigkeit, dem Paradox zwischen der weltrelativierenden Zukunfthoffnung und ihrem Ziel einerseits und dem weltlichen, zu jeder Zeit geforderten Engagement des Christen anderseits.

Ramsey geht diese Frage theologiegeschichtlich an, indem er bei der grundsätzlichen Doppelpoldgkeit der natürlichen Verkündigung von Jesus über Paulus bis zu den johamniedschen Schriften, einsetzt. Diese Zwiespältigkeit wurde in der Geschichte nie aufgegeben. Von Augustinus (Der Gottesstaat) bis Dante (Göttliche Komödie) findet sich jene „christliche Dualität“, die Ramsey von einem prinzipiellen Dualismus (zwischen Gott und Welt, Fleisch und Geist) entschieden abgrenzt Aber konstitutiv für das Christentum ist — so Raimsey — jene zweifache Ausrichtung im Sinne eines christlichen Humanismus und einer recht verstandenen christlichen Jenseitigkeit, die sich gegenseitig nicht ausschließen, sondern fordern.

Je ein besonderer Abschnitt wird der Mystik beziehungsweise Kontemplation und, auf die theologische Diskussion der Gegenwart eingehend, dem „religionslosen Christentum“ gewidmet. Hier will der Verf asser die Kontemplation nicht nur der jenseitigen Ausrichtung zuordnen, da Aktion ohne einen natur- und ge- schichtsübergreifenden Gottesbezug nicht möglich erscheint. Zu der Frage des religionslosen Christentums, über das sein Amtskollege J. A. T. Robinson sein aufsehenerregendes Buch „Honest to God“ (Gott ist anders) veröffentlicht hatte, meint Ramsey, daß von der christlichen Theologie und dem Gottesbild her konkrete religiöse Formen kritisiert werden können und müssen, daß aber die These vom „religionsdosen Christentum“ an sich f alsch ist, weil des Menschen Bestimmung darin liegt „Gott um Seiner selbst willen und Seiner Verherrlichung willen anzubeten“. Das schließt die Welthaftigkeit und positive Wertung weltlicher Strukturen nicht aus, sondern ein. Für den Christen bleibt die immer neue Aufgabe, die beiden Pole in individueller Einheit zu leben, christlicher Humanist und theistischer Humanist gleichzeitig zu sein.

Nicht der Inhalt des Buches an sich ist neu; seine Lösungen sind nicht überraschend und wegweisend, vor allem seit die „Theologie der Hoffnung“ (J. Moltmann, J. B. Metz) neue Wege zur Klärung dieser Frage gewiesen hat. Wichtig ist das Werk aber deshalb, weil gezeigt wird, daß die wichtigen und grundlegenden Fragen nicht konfessionsspezifisch und durch interkonfessionelles (kon- trovers-theologdsches) Gespräch zu lösen sind, sondern Christen aller Konfessionen in gleicher Weise betreffen und — hoffentlich — auch zu gemeinsamer Antwort herausfordern. Zum anderen liegt die Bedeutung des Buches darin, daß hier ein hoher Amtsträger einer Kirche in eine offene theologische Diskussion eingreift — nicht in Gehorsam fordernder Weise abschließt, sondern sie in sachlich begründeter Autorität weiterzuführen bestrebt ist.

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