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Koordinierung von Wirtschafts- und Sozialpolitik

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Die gegenwärtige Situation der österreichischen Wirtschaft erfordert nach Ansicht der Bundeswirtschaftskammer weder die Aufstellung eines Wirtschaftsplanes noch die Einsetzung neuer Gremien, die sich mit einer solchen Planung zu befassen hätten. Es sollen lediglich die Zusammenarbeit in der Paritätischen Kommission intensiviert werden, um eine wirkungsvolle Koordinierung der österreichischen Wirtschaftsund Sozialpolitik zu erreichen. Zur Lösung dieses Problems könnte etwa die Einsetzung eines Unterausschusses für Grundsatzfragen der Wirtschafts- und Sozialpolitik wesentlich beitragen, wodurch auch die Tätigkeit der beiden schon bestehenden Unterausschüsse für Lohnfragen und für Preisfragen entsprechend unterstützt werden könnte.

Das Verlangen nach mehr Sachlichkeit in der Wirtschaftspolitik ist berechtigt; die Erfüllung dieses Verlangens hat zwei wesentliche Voraussetzungen. Die eine ist die schon erwähnte stärkere konstruktive Zusammenarbeit der Sozialpartner und die andere wäre ein intensiveres Heranziehen sachlicher Unterlagen, wie sie von Interessenvertretungen für ihren Bereich und auch vom Institut für Wirtschaftsforschung sowie vom Statistischen Zentralamt laufend erarbeitet werden. Auch die Einschaltung aner kannter Wirtschaftsexperten bei der Behandlung bestimmter wirtschafts- und sozialpolitischer Fragen könnte für die Versachlichung der Wirtschaftspolitik gewinnbringend sein. An hervorragender Stelle müßte sich die Paritätische Kommission mit den Problemen der Schaffung eines funktionsfähigen Kapitalmarktes, der Budgetpolitik, der Lohn- und Sozialpolitik sowie mit der Finanzierung der Sozialversicherung befassen, wenn die Entwicklung der österreichischen Wirtschaft in nächster Zeit günstig beeinflußt werden soll. Auch die Frage, ob es nicht doch eine Möglichkeit gibt, die Lohn- und Preisauftriebstendenzen für einen gewissen Zeitraum zum Stillstand zu bringen, um der Wirtschaft jene Ruhe zu geben, die sie zu ihrer weiteren Entfaltung im gegenwärtigen Zeitpunkt braucht, wäre dringend zu prüfen. Schließlich geht es nicht nur darum, bisher Erreichtes festzuhalten, sondern in erster Linie auch darum, die Anpassung der Struktur der österreichischen Volkswirtschaft an die Erfordernisse der internationalen Konkurrenzfähigkeit zu ermöglichen, um die Vorbereitung auf die Integration zu sichern.

Alle diese Erfordernisse kann ein sogenannter „Wirtschaftsplan“ nicht erfüllen. Er ließe nämlich keine Möglichkeit zur elastischen Anpassung des Wirtschaftsgeschehens an weltwirtschaft liche Entwicklung offen und würde die für jede wirtschaftliche Leistung notwendige Einzelinitiative und Dispositionsfreiheit empfindlich beschneiden, abgesehen davon, daß in unserem Wirtschaftsgefüge für planwirtschaftliche Tendenzen kein Platz ist. Wollte man alle wichtigen Faktoren, den Einsatz von Produktionsmitteln und Kapital, die Wirkungen der Arbeitsmarktsituation, die Konkurrenzverhältnisse, die Entscheidung über das Erzeugungsprogramm usw., auf Grund eines Planes von einer oder mehreren Zentralen aus dirigieren oder durch gesetzliche Maßnahmen des Staates in bestimmte Richtungen lenken, sio hieße das eine Verwaltungswirtschaft zu errichten, für deren zwangsweises Versagen abschreckende Beispiele zur Genüge vorhanden sind.

Österreich war bisher mit seiner Wirtschaftspolitik, die in großen Zügen einem von den Sozialpartnern erarbeiteten Konzept folgt, durchaus auf dem richtigen Weg. Eine Verbesserung der bisherigen Übung, eine gewisse Distanzierung der Wirtschaftspolitik von tagespolitischen Fragen und eine Vertiefung der Diskussion zwischen den Verantwortlichen sind begrüßenswert. Als wesentliches Merkmal für jeden weiteren Schritt sei festzuhalten, daß eine sachliche und erfolgreiche Wirtschaftspolitik nur dann zustande kommt, wenn der Wirtschaft selbst die Möglichkeit zur Mitgestaltung in die Hand gegeben wird. Der „Plan“ vom grünen Tisch aus muß aber in gleicher Weise wirtschaftsfremd wie wirtschaftsfeindlich ausfallen.

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