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Polemik um „Propaganda“-Millionen

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Es scheint, als ob zwischen Parlament und Rathaus, quer durch den Rathausgarten, eine chinesische

Mauer stünde, eine Mauer, so hoch, daß es sicher unmöglich ist, hinüber-zuschauen und mitzuerleben, was auf der jeweils anderen Seite gespielt wird. Wie wäre es sonst zu erklären, daß just zur selben Stunde, da im Haus am Ring die „Roten“ die „schwarze“ Regierung attackierten, die „schwarze“ Minderheit im Haus am Raithausplatz die „rote“ Mehrheit wegen der gleichen Thematik angriff -r hier wie dort ging es um neue Formen der Öffentlichkeitsarbeit, um verstärkte Information — oder, um in der Diktion der Angreifer, hier wie dort, zu bleiben, um „massive Propaganda auf Kasten des Steuerzahlers“.

Im Parlament forderte die Opposition die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, der dde Tätigkeit der persönlichen Pressereferenten der Minister durchleuchten sollte. Im Rathaus waren die 30 Millionen, die für die Arbeit der neuen Informationsstelle vorgesehen sind, jenen ein Dorn im Augei, die glauben, von der vergrößerten Institution nicht genug profitieren zu können. Hier wie dort griffen die Volksvertreter Neuerungen an, Initiativen, die mithelfen sollten, eine breitere Öffentlichkeit besser über die Tätigkeit von Regierung und Verwaltung zu informieren. Site übersahen nicht nur, daß Information, ständige, systematische, umfassende — und natürlich sachliche— Information, die Grundbedingung jeder demokratischen Ordnung ist, sondern daß sie selbst, sollten sie einmal in die Rolle des Regierenden kommen, ebenso verpflichtet wären zu informieren. Und sie übersahen, wie gesagt, daß die eigene Partei im anderen Haus im gleichen Moment in der gegensätzlichen Rolle stand.

Zwei Punkte erschrecken bei dieser Beobachtung: der eine ist die Mentalität, die charakteristisch für die politische Atmosphäre in Österreich, mindestens aber in Wien, zu sein scheint — jede Initiative des Gegners ist in sich und von Grund aus schlecht, mag sie auch in der Sache genau dem entsprechen, was man seit je gefordert hat. So wurde eineinhalb Jahre lang polemisiert, daß die Regierung „einsame Beschlüsse“ fasse und die Öffentlichkeit über ihre Entscheidungen nicht informiere — und nun, da ein eigener Regierungsbeauftragter für Information bestellt wurde, der diesen Fehler korrigieren soll, da wird er grundsätzlich nur als „Propaganda-Staatssekretär“ verteufelt, mit einer leichten Assoziation zu jenem Propagandaminister, dessen Funktion und Methoden doch noch lebendig genug in Erinnerung sein sollten Gleichzeitig muß sich der Justizminister dafür tadeln lassen, daß er die Öffentlichkeit in einer Pressekonferenz über den letzten Stand der Untersuchungen in der Bauaffäre informiert hat, ohne vorher den Abgeordneten zu berichten. Ja, hätte er Millionen Österreicher, deren Interesse nicht zuletzt durch die parlamentarischen Anfragen geweckt worden war, warten lassen sollen, bis die Tagesordnung des Nationalrates die Berichterstattung erlautot hätte? Nur um nicht ein eingebildetes Prioritätsrecht zu verletzen?

Der zweite Punkt, der erschreckt, ist der Mangel an Wissen und Gefühl von der Funktion der Information in der Demokratie, von ihren Farmen und Voraussetzungen — damit verbunden, trotz 50 Jahren Republik, noch eine gesunde Portion von Obrigkeitsdenken. Auch jener schon apostrophierte Dr. Goebbels spukt noch in den Gehirnen, wenn Information, die vom Gegner kommt, grundsätzlich mit Propaganda gleichgesetzt wird.

Information ist das Gegenteil von Propaganda — Information will dem Bürger die Tatsachen und Umstände zur Kenntnis bringen, auf Grund derer er sich seine eigene Meinung bilden kann. Propaganda will ihm die wahren Tatsachen verschleiern, um ihm eine ihm fremde Meinung aufzudrängen.

Natürlich soll jede Information auch um Vertrauen werben — welche Institution käme ohne das Vertrauen ihrer Mitglieder aus? Warum sollten dann gerade die Bundesregierung oder die Wiener Landesregierung nicht um das Vertrauen der Österreicher, der Wiener werben, wenn sie ihnen berichten, was — mit den Steuergroschen aller — geschehen ist oder noch geschehen soll? Es liegt dann in der Aufgabe der Opposition, diese Informationen zu überprüfen und notfalls zu kritisieren, wo sie — nach der Meinung der Opposition — nicht den Tatsachen entsprechen. Aber die Tatsache einer verstärkten Information als solche sollte doch von allen begrüßt werden. „ r-

Ob diese verbesserte Information nun über besondere Pressereferenten — dde dien bisher ernannten beamteten Kollegen eben die Praxis im Medium voraushalben — erfolgen soll, über intensiv ausgebaute Informationsstellen oder über Plakat und Pastwurf — das ist eine Frage der Methoden, nicht der Grundsätze. Der Effekt wird zeigen, was besser ist. Wahrscheinlich werden alle Mittel nebeneinander eingesetzt werden müssen und wahrscheinlich wird sich sehr bald herausstellen, daß auf jeden Fall zweierlei zur Öffentlichkeitsarbeit gehört: dynamische, gut ausgebildete Journalisten mit langjährigen Erfahrungen in Presse oder Rundfunk und den daraus resultierenden Kontakten, und mehr Geld, als man in früheren Zeiten für die Information der Bevölkerung auszuwerfen geneigt war.

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