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Verantwortung im Filmwesen

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Der Primat, den der Film in bezug auf Breitenwirkung und exklusive Erfassung eines Publikums, das andere Kultur- und Kunstinstitutionen überhaupt nicht betritt, besitzt, stellt die Frage nach der Verantwortung für Zielsetzung und Niveau der Filmproduktion in eine besondere Aktualität.

Für Auswahl und Wert des gesprodienen oder gesungenen S'üd^s, zeichnen die Direktionen der Schauspielhäuser verantwortlich, und nach Geschmack und Neigung differenziert sich an ihrer Besonderheit ein' spezifisches Publikum aus.

Das Kino jedoch stellt sich lediglich als unpersönliche, rein mechanische Vorführungsstätte dar und sein Publikum ist die anonyme, zufällige Menge. Als das Typische erscheint aber hier, daß es nirgends zur Bildung eines persönlichen Verhältnisses oder einer individuellen Wechselbeziehung zwischen den Zuschauern und einem für das Filmwerk Verantwortlichen kommt. Es würde auch jeder Regreßversuch auf einen künstlerisch Haftbaren wieder nur in eine Anonymität stoßen: die lediglich für die Dauer der Dreharbeiten gebildete Produktionsgemeinschaft ist aufgelöst und auch hinter dem Produzenten selbst stünde wieder nur die kunstfremde Größe eines kreditgewährenden Geldinstituts.

So teilt der Film, heute zumindest, das Schicksal eines Massenartikels, der, unter dem unbelangbaren Protektorat des Geldes produziert, auch in seiner Auswertung die Merkmale einer Handelsware trägt, für die primär die Usancen und merkantilen Rentabilitätsberechnungen und weniger die Maßstäbe kultureller oder künstlerischer Bewertung gelten.

Wenngleich es scheint, daß der Film kulturgeschichtlich bereits aus dem für alle Künste typisdien Frühstadium der Unterstellung unter den Auftrag des Geldes herausgewachsen ist, so ist die praktische Entsprechung auf diese Entwicklung jedenfalls noch nicht zustandegekommen, denn sonst wäre es undenkbar, daß die kulturellen und künstlerischen Organe des Staates neutral (passiv?) .dem Umstand gegenüberstehen, daß Tag für Tag Zehntausende aus den Kinodarbietungen die verschiedensten Beeinflussungen empfangen und daß Jugendliche und Erzieher gleichermaßen u n-gewarnt oft bedenklichster Spekulation auf die untere Gesdimackslinie überlassen bleiben.

Gerade deswegen, weil die Masscnseele in ihrer R-eaktionsabfolge primitiveren Gesetzen folgt, die ungehemmter zur Auslösung kommen — zum Guten oder zum Bösen — als die komplizierteren Verhaltensweisen des Einzelmenschen, dürfte es nicht gleichgültig sein, wohin die Gravitation der Impulse gelenkt wird.

Die täglichen Verstöße gegen hohe Werte der Kunst und der Ethik durch Unberufene oder Spekulanten in diesem scheinbaren Niemandsland „Film“, die Unterstellung der Schaffensgrundsätze unter kommerzielle Kalkulationen, würde jedoch, auf Sicht gesehen, Ergebnisse zeitigen, die für Produktion und Publikum in gleicher Weise Sdnaden bedeuten.

Wie dem auch sei, es ist sicher, daß der einzelne hier keine Abhilfe schaffen kann. Einzig die kompetenten Staats-autoritäten könnten hier sichten, und im Sinne einer Hebung des Produktionsniveaus wirken.

Zwischen Zensur und laissez-faire dürfte jene gesunde Mitte für eine staatliche In-gerenznahme liegen, die ihrer Aufgabe dadurch an besten entspräche, daß sie in jedem Fall vor Beginn der Dreharbeit das Sujet des Filmprcjekts und die beteiligten Personen auf das Vorliegen einer genügenden fachlichen, beziehungsweise künstlerischen und kulturellen Qualifikation zu überprüfen hätte, um jedoch innerhalb der Grenzen einwandfreier Schaffensgrundsätze freie Konkurrenz, Originalität und persönliche Initiative desto ungestörter wirken zu lassen.

Dieses Postulat wird angesichts der gegenwärtigen Verhältnisse in der österreichi-chen Filmproduktion dadurch besonders akut, weil diese zur Zeit einem wohl ungemein interessierten und abnahmefreudigen Auslandsmarkt begegnet, aber gleichzeitig sich dort ihre Position gewinnen muß.

Deshalb dürfte die gegenwärtige Konjunktur für unsere heimische Produktjon auf keinen Fall ungenügend qualifizierten Exportartikeln zugute kommen, denn letztlich wird nur die Gediegenheit und Güte unserer Leistungen gegen die größere Aufmachung und Reklamewirkung der ausländischen Konkurrenz bestehen können. Daher kann auch das für den Augenblick so zwingend erscheinende Argument eines momentanen Devisengeschenks einen uri-gesiebten Filmexport nicht rechtfertigen. Im Gegenteil: gerade die rigorose Auslese würde die Gefahr für ein Fiasko ausschalten und letzten Endes auch den wirtschaftlichen Gewinn um ein Vielfaches steigern.

Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die Situation, der wir auf dem Sektor des Films begegnen, ein Tätigwerden der zuständigen Stellen de6 Staates geradezu fordert, damit nadi objektiven Gesichtspunkten für Öffentlichkeit und Produktion Schaden abgewehrt, beziehungsweise durch Förderung wertvoller und fähiger Fachkräfte dem Film die seiner Weltbedeutung entsprechende Entwicklung gesichert würde.

Nach Abklärung des gegenwärtig sich abspielenden Prozesses würde wahrscheinlich von selbst das Schwergewicht dieser staatlichen Oberaufsicht von der Schutzfunktion auf eine protegierende Initiative übergehen, wie zum Beispiel durch Übernahme der Heranbildung und Auswahl eines filmeigenen künstlerischen und technischen Nachwuchses, Kreditgewährung zum Bau von Aufnahmehallen und Ateliers, Indienststellung der diplomatischen Auslandsvertretungen für den Export unserer Film-erzeu?nisse, Produktionslenkung durch Aus-sdireibung von Filmthemen österreichischen Charakters, Subvention der Verfilmung wertvoller Sujets usw.

Der Staat träte also snnnüerend an die derzeit noch nicht existierende Stelle einer die Produktion und Fachkräfte des Films in eine persönliche Verantwortung und Bewertung stellenden Instanz, um damit jenes Instrument zu bilden, das den Film letzten Endes in die unabhängige Sphäre einer echten Kunst emporführt.

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