Ist das wirklich echt # oder ist es nur echt billig?

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Fälschungen und Piraterie schädigen die Urheber und die Wirtschaft in Milliardenhöhe. Zu den Gegenmaßnahmen zählen Klagen, Chips und Hologramme - sowie ein Preis.

Einen Preis zu gewinnen, ist meist Grund zur Freude. Außer es handelt sich um Plagiarius. Seit mehr als drei Jahrzehnten wird der zum Award umfunktionierte Gartenzwerg vom deutschen Verein #Aktion Plagiarius# jährlich an besonders dreiste Produktfälschungen verliehen. Seine schwarze Lackierung symbolisiert die dunklen Machenschaften der Plagiatoren, die goldene Nase metaphorisch selbige, die sie sich damit verdienen. Ziel der Aktivisten ist es, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Produktfälschungen und Markenpiraterie kein Kavaliersdelikt sind. Das gelingt nicht immer, dafür geht der Erfolg manchmal über den moralischen Verweis hinaus.

#Wir schreiben die Nominierten rechtzeitig an und geben ihnen die Möglichkeit zur Stellungnahme#, sagt Christine Lacroix, Geschäftsführerin des Vereins. #Es kommt vor, dass die Betroffenen um ihren Ruf fürchten und die gefälschten Produkte vom Markt nehmen oder sogar ihre Lieferanten preisgeben.# So ging der diesjährige erste Preis an einen Hersteller kopierter Eiswürfelbehälter aus Shanghai. Mit der Nominierung konfrontiert unterschrieben zwei deutsche Händler der Fälschung eine Unterlassungserklärung, nahmen die Plagiate vom Markt und vernichteten ihre Restbestände.

Gemessen am globalen Ausmaß des Problems sind solche Erfolge ein Tropfen auf dem heißen Stein. So schätzt die OECD den Wert in Umlauf gebrachter Fälschungen im Jahr 2007 auf 186 Milliarden Euro, was knapp zwei Prozent aller weltweiten Handelsgüter entspricht.

An den EU-Außengrenzen wurde der europäische Zoll 2009 in mehr als 43.000 Fällen aktiv und prüfte 118 Millionen verdächtige Artikel. In 82 Prozent der Fälle wurden die Waren vernichtet oder ein Verfahren eingeleitet. Gegenüber 2008 bedeutet das zwar einen Rückgang um 60 Millionen Güter, allerdings betraf dieser in erster Linie DVDs und CDs. Das kann auch als Indiz gedeutet werden, dass die Fälscher neue Vertriebswege gefunden haben.

Lockere Rechtsauffassung in China

Spitzenreiter der gefälschten Artikel sind Tabakwaren, Markenartikel und Arzneimitteln. Grundsätzlich ist kaum ein Produkt uninteressant für Kopisten. Sogar Produktionsmaschinen aus dubiosen Quellen, bis ins Detail baugleich mit westlichen Fabrikaten, sind aufgetaucht. Eine Studie des Verbandes deutscher Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA) beziffert den Schaden auf jährlich 6,4 Milliarden Euro.

Juristisch verstoßen Produktfälschungen gegen Marken- oder Patentrechte. Diese können aber nur in Ländern geltend gemacht werden, in denen das Schutzrecht angemeldet wurde. Ein Großteil der Fälschungen, von der Damenhandtasche bis zum Wälzlager, stammt aus China. Es war gelegentlich schwierig, dem Recht im Reich der Mitte Geltung zu verschaffen. Vor einigen Jahren verharmloste man das Problem noch mit dem lapidaren Hinweis, dass das Kopieren in China Tradition habe und ein Zeichen für Respekt vor fremden Errungenschaften sei. Davon wollen die Betroffenen längst nichts mehr hören. #Es gibt auch in China ein Gesetz, wonach es unzulässig ist, den Ruf einer fremden Marke auszubeuten#, sagt Christian Handik, Jurist der Wiener Wirtschaftskammer. #Schadenersatz wird man wohl nicht erhalten, aber Unterlassung sollte greifen.#

Hersteller von Originalen wählen nicht nur den Rechtsweg, sondern statten ihre Produkte zusätzlich mit fälschungssicheren Identifikationsmerkmalen aus. Die Möglichkeiten reichen von eingravierten Hologrammen über versteckte Funkchips bis zu unsichtbaren Farbpigmenten, die nur unter UV-Strahlung sichtbar werden. Zwar ist jeder Fälschungsschutz umso sicherer, je komplexer er ist. Doch verursachen ausgeklügelte Sicherheitsmerkmale zusätzliche Kosten und eignen sich deshalb nur für hochpreisige Artikel.

Das Problem der Produktpiraterie ist zum Teil hausgemacht. Mit dem Boom der Globalisierung haben viele Unternehmen ihre Produktion ins billige Ausland vergeben oder dort eigene Niederlassungen gegründet. Dass dazu auch ein Wissenstransfer gehört, kam ihnen nicht in den Sinn. Die neokolonisationistische Vision, wonach Billiglohnländer als verlängerte Werkbank des Westens fungieren, das wertvolle Know-how aber im Mutterland verbleibe, hat sich als Irrtum erwiesen. Gerade China hat sich durch ambitionierten Lerneifer hervorgetan, chinesische Ingenieure haben längst die Kompetenz ihrer westlichen Berufskollegen erworben. Manche Analysten prophezeien, das Ausbleiben chinesischer Plagiate wäre als Indiz zu werten, dass der Westen die technologische Führerschaft verloren hat.

Das in dieser Woche abgeschlossene EU-Projekt Counter befasste sich Fälschungen digitaler Güter wie Software, Filmen und Musik. Als eine von fünf europäischen Universitäten war auch die Wirtschaftsuniversität Wien daran beteiligt. #Wir haben die Positionen der Akteure analysiert und untersucht, welche Zukunftsszenarien sie sehen#, sagt Projektleiterin Elfriede Penz. Datengrundlage waren Interviews mit Industrieorganisationen, Urhebern, Konsumenten und Verwertungsgesellschaften.

Es zeigte sich ein heterogenes, von unterschiedlichen Interessen geprägtes Bild. Einigkeit bestand in der Diagnose, Filesharing erhöhe die Verbreitung von Raubkopien drastisch. Die Gegenmaßnahmen der Industrie sowie der Rechtssprechung seien stets hinter der technischen Entwicklungen her.

Unterschiede zeigten sich in den Reaktionen auf diese Befunde.

#Während die klassische Industrie eine eher restriktive Haltung zeigt, versuchen viele Akteure der Situation mit der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle zu begegnen#, meint Projektleiterin Elfriede Penz.

Neue Geschäftsmodelle gegen Plagiate

Dazu zählt etwa das Fremium-Modell, das digitale Inhalte gratis zur Verfügung stellt, für zusätzliche Dienste oder Benutzerkomfort aber Gebühren verlangt. Eine andere Variante ist aus der Telekommunikationsbranche bekannt und nennt sich #Pay as you go#. Dabei wird ohne vertragliche Bindung ausschließlich für in Anspruch genommene Leistungen bezahlt.

Das Gegenstück dazu ist die Flatrate, also ein zu entrichtender Fixbetrag für einen vereinbarten Leistungsumfang. #Wir haben aber festgestellt, dass es kein universell praktikables Modell gibt#, schränkt Penz ein. Auch die Möglichkeit des direkten Vertriebsweges zwischen den Urhebern digitaler Güter oder den Produzenten materieller und ihren Konsumenten ohne Zwischenhändler sehen viele als Chance.

Um die kreativen Köpfe der New Economy muss man sich keine Sorgen machen. Die weitgehend auf physische Waren und klassische Vertriebswege angewiesene Old Economy dagegen muss weiterhin auf Aufklärung, Sicherheitstechnologien und den Rechtsweg setzen. Vielleicht kann der Gartenzwerg Plagiarius einen Beitrag leisten.

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