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Digital In Arbeit

Piraterie mit und ohne Kabel

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Kabelfernsehen und Breitbandkommunikation sind heute „in" Technisch sind alle Probleme der neuen Medien gelöst, im poütischen Bereich wird um Lösungen gerungen: Sollen die neuen Medien nur dem öffentlichen Bereich gehören, 'sollen sie den Printmedien offenstehen, soll private Nutzung möglich sein? Nur über eine, sehr wichtige Frage wird kaum gesprochen: Wie steht es bei den neuen Medien um den Schutz des geistigen Eigentums in den Programmen?

Unsere Zeit ist eigentumsfeindlich, Eigentum ist nicht „en vogue", schon gar nicht geistiges Eigentum. Die Künstler wissen ein trauriges Lied davon zu singen. Die bestehenden internationalen Verträge zum Schutz des geistigen Eigentums, das revidierte Berner Urheberrechts-Uber-einkommen und das Welturheberrechtsabkommen werden immer mehr unterlaufen und sind, da sie die neuen Medien kaum oder gar nicht berücksichtigen, dringend reformbedürftig.

Die Entwicklungsländer lehnen mehrheitlich ein Urheberrecht als neokoloniales Instrument der Ausbeutung überhaupt ab. Ihre Argumentation: sie hätten nur wenige Künstler, deren Werke im Ausland zu schützen wären, müßten aber erhebliche Mittel für die Einfuhr von Kulturgütern aufwenden.

Im Ostblock ist das Urheberrecht aus einem anderen Grund suspekt: Der Künstler wird von der Gesellschaft hervorgebracht und von ihr ausgebildet, daher könne es kein persönliches Eigentum an für den Fortschritt wichtigen Werken geben. Sie wären Besitz der ganzen Menschheit. Folgerichtig ist die Sowjetunion auch dem Berner Ubereinkommen nicht beigetreten.

Aber auch in den westlichen Industriestaaten zeigen sich starke Tendenzen, den Urheberrechtsschutz zu lockern oder ganz aufzuheben.

Die Zahl der Raubdrucke, vor allem im wissenschaftlichen Bereich, steigt ständig an. Bei der Schallplatte erleiden Interpreten und Produzenten durch „Bootsiegs" (illegale Mitschnitte öffentlicher Konzerte und Rundfunksendungen), durch illegale Vervielfältigungen von Original-Tonträgern (unechte Fälschungen) und durch „Counterfeits" (illegale Vervielfältigungen von Original-Platten unter gleichzeitiger Verwendung der Originalausstattung) große Verluste.

Die Umsätze der Musikpiraten werden in Österreich - zu Konsumentenpreisen - auf jährlich 500 Millionen Schilling geschätzt. Urheberrechtlich relevante Vervielfältigungen aber - in der BRD jährlich mehr als fünf Milliarden Seiten geschützten Materials - bedrohen die Existenz der Fachzeitschriften und vor allem der in Kleinstauflagen erscheinenden wissenschaftlichen Zeitschriften. Dazu kommt nun in zunehmendem Maße die Piraterie bei den elektronischen Medien. Sie wird dadurch begünstigt, daß es hier an klaren Aussagen im Urheberrecht mangelt.

Das beginnt mit der Frage, ob die private Aufzeichnung von Fernsehfilmen rechtlich zulässig ist. Die meisten Urheberrechts-Experten verneinen diese Frage, und das Justizministerium stellt in den Erläuterungen zum Vorentwurf einer Novelle zum Urheberrechtsgesetz kategorisch fest: „Die freie Werknutzung durch Vervielfältigung eines Werkes der Filmkunst ist nicht zulässig."

Im Gegensatz dazu hat das Oberlandesgericht Wien entschieden, daß private Videobandaufnahmen rechtlich gestattet seien. Die „austrome-chana", die die Interessen der Autoren und Verleger vertritt, sieht eine

Lösung der Streitfrage in einer zehn-prozentigen Abgabe auf Tonbänder, Kassetten und Videobänder zu Gunsten der Urheber, eine Lösung, wie sie ähnlich auch für Kopiergeräte vorgeschlagen wird.

Völlig kontrovers ist die Frage, ob Kabelgesellschaften ausländische Fernseh- (und Radio-)Programme ohne weiteres übernehmen können, oder ob sie zu Zahlungen aus dem Titel des Urheberrechtes verpflichtet sind und, noch weitergehend, die Frage, ob der Urheber eines im Programm enthaltenen Werkes die Übernahme und Weiterleitung der Sendung verbieten könne.

Dazu gibt es bereits zwei Musterprozesse. In dem einem - vor dem Schweizer Höchstgericht in Lausanne - begehrt der ORF, der Redif-fusion AG in Zürich, die im Raum Bern in ihrem Kabelnetz das erste und zweite österreichische Fernsehprogramm verbreitet, und der Schweizerischen Postverwaltung (PTT), die die ORF-Sendungen über Richtstrahl „transportiert", den Transport und die Ausstrahlung der österreichischen Programme ohne Zustimmung des ORF zu verbieten.

Die ORF-Klage ist für Österreich insoferne besonders interessant, als bei uns die Post, nach ihrem neuen Unternehmenskonzept, ihr Richtfunknetz für den Transport zusätzlicher Fernsehprogramme aus dem Ausland an die Kabelgesellschaften zur Verfügung stellt, also genau das tut, was der ORF in der Schweiz der PTT verbieten will.

Beim zweiten Musterprozeß in Innsbruck klagten ein deutscher

Filmautor und seine Filmgesellschaft die Innsbrucker Kabelfernsehgesellschaft auf Unterlassung. In dem nun vom Obersten Gerichtshof in Wien bestätigten Urteil wird der Kabelgesellschaft generell verboten, Filme der Kläger aus dem Netz der deutschen Programme zu entnehmen und an die angeschlossenen Haushalte weiterzuleiten: Es könne den Autoren nicht verwehrt werden, sich zur Wehr zu setzen, wenn Kabelgesellschaften ihre Werke weiterverbreiten, ohne sie zu fragen und ohne ein Entgelt zu bezahlen, obgleich sie selbst nicht allzu niedrige Gebühren einheben.

Zu diesem Urteil ist allerdings anzumerken, daß das Antennengesetz nur die unveränderte Übernahme von Programmen vorsieht und ein Abschalten einzelner Teile verbietet. Auch dieser Tatbestand ist ein weiteres Indiz dafür, daß eine umfassende Regelung des Urheberrechtes für den gesamten Bereich der alten und neuen elektronischen Medien dringend notwendig ist, wobei dem Schutz des geistigen Eigentums ebenso Rechnung zu tragen sein wird, wie dem - allerdings umstrittenen - Bedürfnis des Publikums nach mehr Fernsehprogrammen, nach mehr Information.

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