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Keine Kuh zum Glas Milch

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Wo immer Menschen schreiben oder komponieren, geraten sie bald in den Sog der elektronischen Medien Hörfunk und Fernsehen, dieser beiden Großverbraucher der zu Markte getragenen schöpferischen Leistung, und es gibt wenige Themen, die Schriftsteller und Komponisten unmittelbarer angehen als ihr Verhältnis zu den marktbeherrschenden Mediengiganten. Viele Schriftsteller und Komponisten haben zu diesen ihren Großkunden ein Verhältnis, das sich nur mit dem Wort Haßliebe bezeichnen läßt.

Das erwies auch, wieder einmal, die von der österreichischen Künstler-Union in Wien veranstaltete internationale Urheberrechtskonferenz. Vor allem aus der Bundesrepublik kamen harte Töne, etwa von Professor Dr. Nordemann (Berlin), Justitiar des deutschen Schriftstellerverbandes; die deutschen Autoren setzen sich (über ihre Interessenvertretungen) heute mit einem seine Machtstellung bedenkenlos ausnützenden Marktgiganten wie dem Zweiten Deutschen Femsehen bereits vor dem Bundeskartellamt auseinander, wo die rechtliche Unhalt-barkeit verschiedener Vertragspunkte auch bereits festgestellt wurde.

Gerade an den Normverträgen des Zweiten Deutschen Fernsehens orientierten sich aber auch die vorgedruckten „Allgemeinen Bedingungen“ der vom österreichischen Rundfunk abgeschlossenen Urheberrechtsverträge, deren Anfechtung sich kaum ein Mitarbeiter des ORF leisten konnte. Doch ist die notdürftige juristische Kaschierung eines urheberrechtlichen Paustrechtes zumindest in Österreich vorbei.

Die vor allem zur Wahrung der Interessen ötserreichischer Schriftsteller geschaffene „Interessengemeinschaft österreichischer Autoren“ konnte das Ergebnis eines zweieinhalbjährigen Verhandlungsmara-thons mit dem ORF kurz vor der Wiener Urheberrechtstagung zwar noch nicht in den Einzelheiten, aber in großen Zügen bekanntgeben: Künftig wird ein Autor, der etwa ein Fernsehspiel geschrieben hat, nicht mehr automatisch alle Rechte an diesem Werk einschließlich der Rechte auf Buchveröffentlichung, Schallplattenproduktion und so weiter bis in alle Ewigkeit dem übermächtigen Geschäftspartner überlassen müssen, etwa nach einem Prinzip, daß zu einem Glas Milch die Kuh geliefert werden müsse.

Das Verhandlungsklima zwischen den Vertretern der Interessengemeinschaft der Autoren (nebst deren Anwälten) und den Partnern vom ORF war dem Vernehmen nach hart, aber fair, und vor allem in den letzten Monaten kaum noch hart und vor allem fair. Denn es wäre ein Mißverständnis, zu meinen, die höheren Ränge der Rundfunkanstalten seien mit Leuten besetzt, die die Autoren ausbeuten wollen. Jene Verträge, die — wenn auch oft nur auf dem Papier, als theoretische Möglichkeit — Ausbeutungsverträge waren, gingen einerseits auf die notorische Unorganisiertheit der Künstler zurück, anderseits aber auf die Angst vieler Rundfunkanstalten, un-gerüstet, sprich: mit einem zu geringen Fundus an produktionsreifen Werken, einem plötzlich ausbrechenden Kassettenzeitalter ausgeliefert zu sein.

Im Verhandlungsclinch erwies sich bald, daß man zumindest einig in dem Bewußtsein war, neue Vertragstexte seien notwendig. Ihr harter Kern nach zweieinhalbjährigem Ringen: Die Wortautoren werden dem ORF alle Rechte einräumen, die er braucht, aber nicht mehr — Film-rechte, Schallplattenrechte und so weiter bleiben in ihrer Hand. Wiederholungssendungen sollen wesentlich besser vergütet werden als bisher — statt der Hälfte vom halben Gesamthonorar der Erstsendung (50 Prozent des „Sendehonorars“) nun zwei Drittel vom Ganzen („Werk-“ und „Sendehonorar“). Auf das Werkhonorar (ohne Sendehonorar) werden die Autoren künftig auch dann ein Anrecht haben, wenn eine bestellte Arbeit nicht abgenommen wurde. Die neuen Bestimmungen sollen am 1. Mai in Kraft treten und könnten vor allem in der BRD Modellcharakter gewinnen.

Während IGA-Präsident (und Künstler-Union-Vizepräsident) Professor Vinzenz Chiavacci „den Großteil unserer Forderungen“ erfüllt sieht, sind die Autoren mit der Ankündigung von Justizminister Broda, das österreichische Urheberrechtsgesetz sei zwar novellierungsbedürftig, doch solle der seit Jahren geforderte „Bibliotheksgroschen“ nicht in das Gesetz aufgenommen werden, sehr viel weniger glücklich. Immerhin soll nun auch in Österreich, viele Jahre nach einer entsprechenden Regelung in der Bundesrepublik, beim Verkauf von Tonbandgeräten und Videorekordern eine Abgabe eingehoben werden, mit der die vielfach üblichen, aber eigentlich rechtswidrigen Uberspielungen urheberrechtlich geschützter Werke für den privaten Gebrauch abgegolten werden.

Demnächst will sich nun auch eine „Vereinigung hauptberuflicher Autoren“ (Proponenten: Milo Dor, Jeannie Ebner, Reinhard Federmann, Franz Hiesel, Wolfgang Kraus, Hans Wei-gel) Gehör verschaffen, um — etwa zu Problemen wie dem Bibliotheksgroschen — die Vorstellungen einer Gruppe zu formulieren, deren Interessen nicht mit denen von Schriftstellern völlig identisch sein müssen, die zwar schreiben, aber nicht unbedingt vom Schreiben leben müssen.

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