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Vorschlag zur Säuberung

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I un ist es aber genug. Nun steigt der schleimige Druckerschwärzemorast schon bis zu den Knöcheln. Monat um Monat verbreitert sich der Mißbrauch des gedruckten Wortes zur geschäftlichen Spekulation auf die menschlichen Schwächen und Leidenschaften, namentlich auf die Anfälligkeit der Jugend, die breiten Schichten einer Generation, deren physische und seelische Standfestigkeit durch außerordentliche Erlebnisse und Mangelerscheinungen erschüttert ist. In Massen wandern Drucksachen auf den Markt, die sich als Zeitungen, Zeitschriften ausgeben, ohne es zu sein, um den lizenzierten und verantwortlichen Buchhandel zu umgehen und ihre üblen Erzeugnisse unter dem Schirm der Pressefreiheit abzusetzen. Die Geschäfte, die unbehindert hier gemacht werden, eifern wieder wirkliche Zeitungen an, die Konkurrenz in Untergrundware aufzunehmen. In einer Zeit, die dem Wiederaufbau unseres schwergeschädigten Volkstums dienen sollte, wird unter den Augen der hilflosen Behörden für die Geburtenbeschränkung in nichtsnutzigen Publikationen Propaganda gemacht. Ab und zu fährt die ganze Öffentlichkeit entsetzt hoch bei der Entdeckung eines Verbrechens, das seine Entstehung der Herabsetzung der Mütterlichkeit und Heiligkeit des menschlichen und auch des keimenden Lebens verdankt. Aber es geschieht nichts, um dem Obel an die Wurzel zu gehen, und die aufgescheuchten Gewissen finden sich wieder damit ab. Täglich siehst du in den Straßen Opfer aus den Reihen unserer weiblichen Jugend, die auf ihre jäh abwärtsführende Bahn durch zerrüttete Familienverhältnisse, entartete Mütter, traurige soziale und Wohnungsverhältnisse geraten sind, aber such keinen Halt fanden in einer Öffentlichkeit, die nichts einzuwenden fand gegen die feilgebotene Erniedrigung der Frauenehre.

Wenn gegen dieses um sich greifende Druckwesen hier Einhalt verlangt wird, so vermag sich kein ernstzunehmender Einwand im Namen der Pressefreiheit zu erheben. Die Pressefreiheit gehört zu den kostbarsten Gütern des Gemeinwesens. Sie muß schon deshalb verteidigt werden, weil es kein gesundes Staatswesen geben kann, in dem die Freiheit des Urteils, die Freiheit der Kritik durch Drohungen unterbunden ist, weil dem inneren Verderb jede Gemeinschaft verfällt, in der Krankheitserscheinungen nicht abgewehrt werderi können. Die Pressefreiheit ist ein unantastbarer und ein unteilbarer Besitz. Sie darf nicht dem oder jenem gehören, und töricht der Reaktionär, der sie dem Gegner verweigert, töricht schon deshalb, weil sie ihm nächstens der Sieger verweigern wird. An der Stelle, wo die Pressefreiheit fällt, beginnt der Einbruch des totalitären Staates, und unvermeidlich folgen ihr in jähen Stürzen alle Freiheiten, die den echten demokratischen Staat ausmachen. Aber die Pressefreiheit kann kein Unterstand werden für Druckerzeugnisse, die keine Zeitungen sind, keine wesentlichen Merkmale einer Zeitung besitzen und nur deshalb als „periodische Druckschriften” erscheinen, weil sie Grund haben, ihre Produkte dem legitimen Buchhandel zu entziehen. Eine authentische Interpretation des Begriffs „Periodische Druckschrifte n”, eingeholt bei den Berafskörperschaften und dem zeitungswissenschaftlichen Institut der Wiener Universität, würde außer Zweifel stellen, daß viele Dutzende der jetzt umlaufenden Druckerzeugnisse keine wirklichen Zeitschriften sind und aus ihrer Erscheinungsform . zu verschwinden haben. Die Pressefreiheit kann aber auch nicht Legitimation sein für Produkte, die mit Literatur soviel wie nichts zu schaffen haben, sondern Unternehmungen darstellen zur geschäftlichen Fruktifizierung triebhafter Neigungen und am allerwenigsten bei den gereiften Menschen ihre Kunden suchen. Die Ausschreitungen dieser Geschäftsleute sind soweit gediehen, daß schon die Frage sich erhebt, wie weit nicht der Stand der Zeitungsleute sich um den Schutz seiner Ehre gegen das Treiben jener wohlbekannten Markterscheinungen kümmern muß. Es ist keine andere gewerkschaftlich und in vornehmen Vereinigungen organisierte Standesgruppe bekannt, die ähnliche Auswüchse als Zubehör des Berufes dulden würde.

Aber auch die öffentlichen Stellen werden zu handeln haben. Ihr Wille dazu steht außer Zweifel, und festzustellen ist, daß die Gesetzeslage ausreichende Handhaben nicht bietet. Wir verlangen aber mit wenig Konsequenz von den Besatzungsmächten, sie mögen uns mit Erzeugnissen ihrer nationalen Filmproduktion verschonen, die hier dem entrüsteten Widerspruch einer auf Reinlichkeit bedachten Jungmannschaft begegnen, wenn wir in unserem Hause an gedrucktem Faulzeug dulden, was wir am fremden Laufbilde ablehnen. Es ist zuzugeben, daß ein gesetzgeberischer Eingriff schwierig ist und starken Einwänden begegnen kann. Eine allgemeingültige Definition für die zu treffenden Erzeugnisse ist nicht leicht zu erstellen, und man kann zweifeln, ob sie, wenn sie gesetzlich festgelegt würde, das unangefochtene, dauerhafte Funktionieren eines richterlichen oder administrativen Apparats ermöglichen würde. Aber es kann sich ja nicht darum handeln, generelle Bestimmungen zu erreichen, sondern es geht um Vorkehrungen, die vom Standpunkt des Jugendschutzes und der besseren Bewahrung unseres Volkskörpers vor der Verseuchung vernünftig und notwendig sind. Unmöglich kann es angesichts des überzeugenden Standes der Dinge ein umstrittenes Politikum der Parteien sein, ob die bisherigen bei der Jugend einsetzenden schweren Schäden sittlicher und physischer Volksgesundheit fortdauern sollen oder nicht. So übergebe man eine Initiativ kontrolle der einschlägigen Materie einer interparteilichen, aus erfahrenen Schulmännern zusammen- gesetztenKommission, die allenfalls durch berufene Vertreter des periodischen Schrifttums zu ergänzen wäre, einer Kommission, die das Recht der Antragstellung an die oberste Unterrichtsbehörde in allen Fällen besitzt, in denen sie ein Einschreiten gegen bestimmte Publikationen vom Standpunkte des Jugendschutzes aus für richtig hält. Wir möchten diejenigen sehen, die es wagen würden, dann einem Vorgehen zu widersprechen, das legitimiert ist durch das Begehren berufener, von gemein- samerPlattformausurteilender Repräsentanten cf cr österreichischen Jugenderzieherschaft.

Wird eine solche aus Vertretern verschiedener Parteien zusammengesetzte Profund Antragstelle zu gemeinsamen Schlußfassungen gelangen? Schwerlich in allen Fällen. Aber wenn sie sich einigt — und es gibt genug zwingende Anlässe —so werden die Forderungen dieser Berufenen nach dem Einschreiten im Namen des höchsten Rechtstitels erhoben sein: im Namen der Wohlfahrt unserer Jugend und unseres Landes.

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