Bitcoin und Kryptowährungen - © Illustration: Rainer Messerklinger

Kryptowährungen: Mit Blockchain zur Chaingang

19451960198020002020

Können Kryptowährungen besser als andere Währungen für Geldwäsche missbraucht werden? Die Technologie scheint wie gemacht für organisierte Kriminalität, aber Experten warnen vor einer Verteufelung.

19451960198020002020

Können Kryptowährungen besser als andere Währungen für Geldwäsche missbraucht werden? Die Technologie scheint wie gemacht für organisierte Kriminalität, aber Experten warnen vor einer Verteufelung.

Werbung
Werbung
Werbung

Kommt die Rede auf das Darknet und Kryptowährungen, so ist sehr schnell von Drogen, Auftragskillern, Menschenhandel die Rede – oder von durchaus seriösen Investments zumeist in Start-ups und Innovation, die über die Blockchain-Technologie weltweit unkompliziert und durchaus nachvollziehbar abgewickelt werden können. Selten aber kommt die Sprache auf Graubereiche. Auf den Handel mit legalen Waren etwa unter Umgehung von Sanktionen oder Embargos. Lassen sich etwa Geschäfte mit sanktionierten Staaten und Regionen wie dem Iran oder Russland und da im Speziellen der von Russland annektierten Krim über Kryptotechnologien verschleiern? Die knappe Antwort: ja. Und hinzu kommt: So wirklich zuständig scheint sich niemand zu fühlen in der Sache.

Während die Sanktionen gegen den Iran eher ein Politikum zwischen der EU und den USA sind, sind die gegen Russland politisch an sich unumstritten. Tatsache jedoch ist: Schon im Setup der Sanktionen wegen der Krim-Annexion gibt es Graubereiche. Offiziell ist jeder Handel mit Waren und Dienstleistungen sowie Finanztransaktionen zwischen EU und der Krim untersagt. Offiziell.

Nachgewiesene Fälle

Es gibt so einige Fälle, in denen sich Geschäfte mit der Krim nachweisen lassen. So landeten etwa vier Gasturbinen des Weltkonzerns Siemens – statt wie bei Abschluss des Geschäfts vorgesehen – nicht im südrussischen Taman, sondern auf der Krim – angeblich gegen den Willen und ohne Wissen von Siemens. Und da ist etwa auch nach wie vor die offene Frage, wie es sich mit den Niederlassungen deutscher Autohändler auf der Krim verhält – denn offiziell handelt es sich dabei doch um Zweigstellen von in Russland registrierten Tochterfirmen und Volkswagen betreibt auch ein Werk in Russland.

Und in die andere Richtung? Also Güter von der Krim, die am europäischen Markt landen? Krimsekt etwa? Fehlanzeige. Der Kopfschmerzen versprechende Schaumwein mit dem sowjet-nostalgischen Namen und dem post-kommunistischen Abgang ist kein DAC. Mehrheitlich wird er im Donbass, in der Region Odessa und der Südukraine produziert.
Der Transfer von Waren ist eine Sache. Und vor allem: eine sichtbare. Aber der von Geld ist ein ganz anderes Thema. Und das hat auch die russische Regierung erkannt. Von ganz oben gibt es die Order, die Einführung eines eigenen Krypto-Rubels zu prüfen. Erklärtes Ziel: die Umgehung westlicher Sanktionen. Dabei nennt Alexander Picker von Transpa­rency International Österreich Geschäfte mit digitalen Währungen wie Bitcoin und anderen an sich den „feuchten Traum eines Regulators“. Alles sei einzusehen, jede einzelne Transaktion weltweit in einem System offen nachvollziehbar. Ganz anders bei klassischen Geldgeschäften, wo sich alles in einem undurchschaubaren Netzwerk aus Kunden, verschiedensten Banken und in Summe Tausenden Akteuren abspiele. Der Haken an der Kryptowelt aber: Auch wenn alle Transaktionen offen liegen, Sender und Empfänger sind anonymisiert.

Der Haken an der Kryptowährung: Der Geldfluss ist zwar transparent, Absender und Empfänger aber sind anonym

An sich sieht Picker in der Blockchain-Technologie aber äußerst viel Potenzial. Ermögliche die Technologie doch weltweit direkte Geldgeschäfte und mittlerweile auch Vertragsabschlüsse ohne jegliche Nebenkosten. Letztlich gehe es immer darum, früher oder später digitale Währungen in reales Geld, Wertanlagen oder Konsum zu investieren. Und hier liege wie schon bei Al Capone der Ansatzpunkt für Ermittler – eben beim Rückfluss in den klassischen Geldverkehr.

Seitens der „Financial Action Task Force“, einer von der G7 ins Leben gerufenen Anti-Geldwäsche-Organisation, sieht man auf Nachfrage adäquate Kontrollmechanismen implementiert – jedoch auch ausbaufähig.

Gleiche Regeln, gleiches Risiko

Offiziell jedenfalls gelten demnach für Geschäfte, die über Kryptowährungen abgewickelt werden, die selben Regeln wie für den klassischen Geldmarkt. Aber wer wird aktiv im Falle eines Verdachts? Europol sieht sich jedenfalls nicht zuständig und verweist darauf, dass man sich nur für Fälle schwerer Kriminalität zuständig sehe. Ebensowenig das Bundeskriminalamt, das sich auf das Strafrecht beruft, oder die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft.

Picker skizziert, wie es gehen könnte – rein hypothetisch freilich. Und es ist erstaunlich einfach. Beispiel Krim: Waren könnten nach Kasachstan exportiert werden, Kasachstan und Russland unterhalten eine Zollunion, demnach könnten die Waren einfach nach Russland und weiter auf die Krim geliefert werden. Dazu bräuchte es nicht einmal Kryptowährungen. Oder Handel mit Embargogütern an einen Staat XY. Geliefert wird offiziell an einen Zwischenhändler in einem anderen Land, der liefert offiziell weiter an einen weiteren Zwischenhändler in einem anderen Staat, der wiederum liefert offiziell an den Letztempfänger XY – dabei ging die Ware gleich nach XY, während die Zahlung über eine Börse (also eine Plattform, über die Krypto-Geld in klassisches Geld umgewandelt und ausgezahlt wird) in Nahost abgewickelt wird. Die Nebenkosten eines solchen Geschäfts: null.

Liquidität erhalten

Umgekehrt hantieren sanktionierte Staaten wie vor allem Nordkorea und auch zuletzt Venezuela mit virtuellen Währungen – entweder um die eigene Liquidität aufrecht zu erhalten, oder aber um Geschäfte im Ausland abzuwickeln. Es sind die Börsen, also jene Punkte im Netz, wo Krypto-Geschäftsleute letztlich identifizierbar werden, wo Ermittler jetzt vermehrt ansetzen wollen. Und das gefällt nicht vielen, die über Kryptowährungen Geschäfte machen. Mehr Kontrolle? Walter Komarek ist dagegen. Der gebürtige Österreicher, der von Kiew und Malta aus in der ganzen Welt über Kryptowährungen Geschäfte macht, sieht die Blockchain-Technologie als die absolute Freiheit. Und er sagt: „Schlupflöcher gab es immer.“ Er sagt: Selbstregulierung des Marktes, ja; staatliche Kontrolle oder Regulierung durch Banken, keinesfalls. Und einen „Behinderungsmechanismus“ nennt er das, was in „manchen Staaten aufgeführt wird“.

Denn letztlich sei die Blockchain-Technologie ja vor allem auch ein Weg, um Betrug auszuschließen. Aufgrund der Unfähigkeit und dem Unvermögen Blockchain-Technologie zu verstehen, sei der Staat nicht der richtige Regulierer. Kritik an der Undurchsichtigkeit der Materie betrachtet Walter Komarek als Vorwand, um das System auf „polizeiliche und Staaten-Basis“ zu stellen. Und letztlich, so sagt er, seien Geschäfte in der Krypto-Welt „genauso real wie jedes andere Business“ – nur eben nicht mit einem „von Nationalbanken gesteuerten“ Vehikel: sondern eben durch Bitcoins oder anderen virtuellen Währungen.

Auch Picker warnt vor einer grundsätzlichen Verteufelung virtueller Währungen. Geld­überweisungen, so sagt er, seien in keiner Weise strafbar. Die Frage sei: Steht ein Verbrechen dahinter? Und dann stellt sich die Frage: Wer ist der Kläger bei Geschäften, von denen niemand wirklich jemals Notiz nimmt?

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung