Bitcoin und Kryptowährungen - © Illustration: Rainer Messerklinger

Bitcoin: Traum und Wirklichkeit

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Den Kursgewinnen um einige Hundert Prozent folgte ein tiefer Sturz. Warum sich Kryptowährungen schwertun mit dem Währung-Sein und wo ihre eigentliche Zukunft ganz ohne Spekulation liegen könnte.

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Den Kursgewinnen um einige Hundert Prozent folgte ein tiefer Sturz. Warum sich Kryptowährungen schwertun mit dem Währung-Sein und wo ihre eigentliche Zukunft ganz ohne Spekulation liegen könnte.

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Am Ende wird Friedrich August von Hayek recht behalten: Geld ist eigentlich kein Hauptwort, es ist ein Eigenschaftswort. Es kann alle möglichen Gegenstände befallen, sie tauschbar und wertvoll machen – eben zu Geld. Tatsächlich musste er für diese Erkenntnisse nicht lang suchen. Auf Südseeinseln fanden Ethnologen etwa Muschelgeld. In anderen, frühen Gesellschaften wurde auch mit Tieren, mit Menschen oder etwa mit Grillspießen bezahlt.

Hayek träumte aber wohl nicht von Steinzeit und Antike, sondern von der Zukunft. Von einer Gesellschaft, in der Geld tatsächlich nicht mehr Dollar oder Euro unter strengem Regime von Regierungen und Notenbanken wäre, sondern verschiedenste freie Währungen, die Private der Öffentlichkeit anbieten und die miteinander in einem Wettbewerb stehen. Der Vertrauenswürdigste würde gewinnen. Das, so Hayek, würde öffentlich-politisches Schindluder, Inflation und sogar Kriege verhindern. Tatsächlich könnte man daraus – zumindest regional und sogar international – etwas machen. Man wage – apropos Vertrauensvorschuss – nicht, sich vorzustellen, was ein „God-Coin“ der FURCHE wert wäre, im Gegensatz etwa zu einem „Trump-Coin“.

Um diese eine Frage des Werts von Vertrauen dreht sich eigentlich die Debatte, die gerade in jüngster Zeit um Währungen entstanden ist, die auf der Blockchaintechnologie basieren, Bitcoin allen voran. Besonders nach den jüngst exzessiven Verlusten dieser Märkte fanden sich viele bestätigt, die wie der Ökonom Nouriel ­Roubini meinen, Kryptowährungen seien die wohl horribelsten, halbseidensten Finanzblasen-Kreaturen, die je geschaffen wurden, und alle, die darin ihr Geld investierten, verlören alles.

Nun, zumindest einen satten Teil ihres Guthabens haben jene verloren, die da zu spät ihr Geld investiert hatten und nun auf bessere Zeiten hoffen müssen. Von 50.000 Dollar auf etwa 30.000 Dollar fiel der Wert des Bitcoins jüngst.

Krypto ist nicht gleich Krypto

Muss man nun darüber in Tränen ausbrechen und Kryptowährungen sämtlich verdammen? Kritikpunkte gäbe es genug. Gerade bei Bitcoin kann man über sinn­losen Verbrauch von Energie klagen, da die Schöpfung der Münzen durch digitales „Mining“ jährlich so viel Strom verbraucht wie die Niederlande. Aber andere Assets, die etwa auf Basis des ERC-20-Standards auf der Ethereum-Plattform mit der zweitgrößten Kryptowährung Ether funktionieren, haben diesen Nachteil schon nicht mehr und schaffen gleichzeitig viel mehr an Möglichkeiten als bloßen Tausch oder Bezahlung.

In Ethereum schlummern sozusagen die Träume einer ganzen Generation, die mit der Digitalisierung groß geworden ist. Es hat inzwischen mehr als 400.000 Tokens erschaffen, also Firmen, die digitale Anteile an ihrer wirtschaftlichen Existenz im Industrie- und Dienstleistungssektor verkaufen, Verträge schnell und unbürokratisch schließen oder über Crowdfunding Projekte in Bewegung setzen.

In Ethereum schlummern die Träume einer ganzen Generation, die mit der Digitalisierung groß geworden ist. Es hat inzwischen mehr als 400.000 Tokens erschaffen, also Firmen, die digitale Anteile an ihrer wirtschaftlichen Existenz im Industrie- und Dienstleistungssektor verkaufen.

Aber bei allen Vorteilen muss immer hinzugefügt werden, dass man es bei Kryptowährungen mit etwas zu tun hat, das die Vorstellungen der Ökonomie sprengt, zumindest was den Grundcharakter dieser neuen Vermögenswerte betrifft. Man scheitert eigentlich schon bei ihrer Charakterisierung als Währung. Denn ökonomisch betrachtet sollten Kryptowährungen Grundeigenschaften von Währungen besitzen: Sie sollten als Tauschmittel, als Recheneinheit oder als Wertaufbewahrungsmittel verwendet werden können.

Als Tauschmittel sind sie nur sehr begrenzt verwendbar. Denn einerseits kann man sich mit Bitcoin keine Pizza kaufen, weil die Transaktion so lange dauern würde, bis die Pizza kalt wäre. Selbst Tesla war das Geschäft mit Bitcoin letztlich zu riskant. Nicht weil Elon Musk verrückt oder ein Betrüger wäre. Wenn eine Währung an einem Tag 20 Prozent Schwankungsbreite hat, lässt sich damit keine haltbare Bilanz erstellen, oder auch nur eine sinnvolle ­Tagesabrechnung. Letztlich kämen dadurch nicht nur Bitcoin-Halter ins Strudeln, ­sondern ganze Unternehmen, selbst Tesla.

Auf der anderen Seite: Selbst wenn Elon Musk Glück hat und die Kryptowährungen so wie in den vergangenen Monaten unablässig stark im Wert steigen, werden die Preise für ihre Produkte deflationär. Jeder Tesla würde immer weniger Bitcoin-Wert halten. Was mindestens genauso schlimm wäre wie jene Inflation, vor der einen Bit­coin ja eigentlich schützen sollte. Diese Währungen sind im Moment also gelebte Inflation und gelebte Deflation, keinesfalls aber stabil und damit auch kein Wertaufbewahrungsmittel (außer für jene, die früh genug eingestiegen sind).

Damit ist keines der Kriterien einer gesunden Währung erfüllt. Schlimmer noch: Die allermeisten dieser Coins folgen blind dem Kurs von Bitcoin nach oben oder unten, obwohl sie im Kern gar nichts mit Bitcoin zu tun haben. Man muss zwar hinzufügen: Es gibt Stablecoins wie ­Tether, die an den Kurs einer klassischen Währung gekoppelt sind. Ein Tether ist ein Dollar. Doch damit ist natürlich die Freiheit der privaten Währungen passe und die Abhängigkeit von Zentralbanken und Wirtschaftskrisen adieu, falls das nicht ebenfalls ein Hirngespinst war. Viele ­Tokens sind ja in Industrie und Dienstleistungen gesichert, die in einer Krise natürlich Schaden nehmen würden.

Freiheit oder Überwachung

Was allerdings den immer wieder genannten Missbrauch von Kryptowährungen für kriminelle Aktivitäten betrifft: Hier sollte man nicht mit zweierlei Maß messen. Welche Währung wurde deshalb schon infrage gestellt oder abgeschafft? Der Dollar oder der Euro sicher nicht.

Als Fazit bleibt damit also vorläufig ­übrig, dass einem Kryptowährungen zu viel Reichtum und auch viel Verlust verhelfen können, dass aber ihr eigentlicher Nutzen nicht in der Spekulation, sondern in Anwendungen einer Start-up-Ökonomie, die Finanzierung für mutige Ideen und Konzepte findet, liegt. Braucht es dafür jene Währungen, von denen heute die Rede ist? Nein. Es kann also auch sein, dass das Gerede von der Bitcoin-Zukunft ganz ohne Bitcoin und Ether stattfindet, weil man sie schlicht so nicht gebrauchen kann.

Ob man also Hayek und seine Idee vom Wettbewerb der Währungen nicht doch wieder zurück in einen Wettbewerb der Ideen mit einer globalen, geregelt-stabilen digitalen Fiatwährung verwandeln sollte? China geht diesen Weg mit gewohnten Zwangsmaßnahmen, verbietet Krypto­währungen und wird Ende dieses Jahres eine chinesische Digitalwährung vorstellen. Diese wird dem Regime dann Einblick in die Finanztransaktionen seiner Nutzer verschaffen. Es ist Hayeks Vision – nur umgedreht. Ob Geld oder Besitzer – sie teilen nun das Eigenschaftswort „überwacht“ statt „frei“.

Dieser Artikel erschien unter dem Titel "Blasiertes Geld: Bitcoin als Traum und Albtraum" in Furche 21/21.

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