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Der rote Stern in der Nacht

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Es war sehr spät, als wir von Kiew, der ersten Station unserer Reise, kommend mit dem Flugzeug in Moskau eintrafen. Es war noch später geworden, als wir unsere Zimmer im Hotel Metropol erhielten. Aber sollten wir jetzt schlafen gehen, am ersten Abend in Moskau? Ob wir weggehen könnten, fragten wir Nina, unsere Reisebegleiterin? Natürlich, warum nicht, das Hotel sei die ganze Nacht geöffnet. Und so machten wir uns auf den Weg. Es war eine kalte, windige Nacht. Wir gingen links vom Hotel eine breite Straße hinunter, da sahen wir rechts einen roten Stern durch die Nacht leuchten. Langsam gingen wir eine kurze, leicht ansteigende Straße hinauf. Und da lag er vor uns in seinen überwältigenden Dimensionen, breit, gewaltig und fast menschenleer um diese späte Nachtstunde: der Rote Platz. Auf der einen Seite die riesige, gewaltige Kremlmauer, vor ihr, in der Dunkelheit fast nicht wahrnehmbar, der Quaderbau des Lenin-Mausoleums, dahinter die Silhouetten vieler Türme. Und auf einem dieser Türme, den weiten Platz überstrahlend, der große, leuchtende rote Stern. Langsam gingen wir, ein paar Österreicher, eine kleine Gruppe aus einem kleinen Land, über diesen gewaltigen Platz. Wir sprachen wenig, es war nicht nur der beißende Wind, der uns das Reden verleidete.

Auf der anderen Schmalseite des Platzes, dort, wo er sich wieder langsam herabsenkte zur Moskwa, steht eine Kirche. Ist es eine Kirche? War es eine Kirche? Wie aus der Spielzeugschachtel, wie ein Knusperhäuschen aus dem deutschen Märchenwald, nahm sich dieses zierliche Gebäude mit den farbig glasierten Dächern, den vielen kleinen gedrehten Türmchen neben der erdrückenden Größe der Kremlmauer, neben der sich in die Weite verlierenden Dimensionen des Roten Platzes aus. Dieser Platz ist das Herz Moskaus, das Herz eines Reiches von weit über 200 Millionen Menschen, überstrahlt vom düsteren Rot des fünfzackigen Sowjetsternes. Als wir zur Kirche kamen, fanden wir eine Tafel mit vielen Sprachen. „Museum“, stand darauf. Wir waren nach Rußland gefahren, um die religiösen Einrichtungen kennenzulernen.

Mußten wir ins Museum gehen?

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