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SPECTRUM AUSTRIAE
Man lernt immer wieder zu. Wer zum Beispiel gedacht hatte, die Hauptattraktion im Oesterreich-Pavillon der nächstjährigen Brüsseler Weltausstellung werde ein Heuriger sein oder ein Kaffeehaus oder zumindest eine Konditorei, befand sich im Irrtum. Oesterreich wird sich diesmal mitnichten im Gewände jener wein- und kaffeeseligen Gemütlichkeit präsentieren, die der Welt seit etwa einem Jahrzehnt von äußerst geschäftstüchtigen Leuten als das wahre Spectrum Austriae verkauft wird, sondern als geistige Idee, als spirituelle Großmacht. Dies ist freilich nicht mit den herkömmlichen ausstellungstechnischen Mitteln möglich, denn so wie ja Oesterreich zehnmal größer ist als die Fläche, die seine heutigen Grenzen umspannen, so muß es auch dargestellt werden: als eine imaginäre und zugleich reale Größe, als etwas, das sich wohl beschreiben, nicht aber mit wenigen Strichen darstellen läßt. Man dachte daher an eine Buchhandlung, an eine Buchhandlung über Oesterreich, als Zentrum des Pavillons. Jedes Buch soll hier erhältlich sein, das Aufschluß über Oesterreich und die Oesterreicher gibt. .
Oder vielmehr: sollte hier erhältlich sein, denn zu dieser geplanten Buchhandlung wird es wahrscheinlich nicht kommen.
Nicht etwa die vielgelästerte österreichische Wirtschaft ist dagegen, daß hier einmal geistige Werte vorangestellt werden, nicht die Belgier sind dagegen, im Gegenteil, sie waren sogar zu besonderer steuerlicher Begünstigung der in Brüssel zu verkaufenden österreichischen Bücher bereit; es ist der österreichische Verlegerverband, der Schwierigkeiten macht und durch seinen Sekretär eine Subvention von 1,6 0 0.0 0 0 Schilling zur Herstellung eines repräsentativen Kataloges verlangt!
Daß diese Forderung von niemandem ernst genommen werden kann, liegt auf der Hand, denn eine derartige Summe reicht für viel mehr als für einen Bücherkatalog. Man wollte, so scheint es, von vorneherein keine Buchhandlung und schraubte die Subventionsforderung absichtlich so hoch hinauf, daß niemand sie erfüllen können wird.
So wird es also im österreichischen Pavillon allem Anschein nach keine Buchhandlung geben. Weil es am Katalog.scheitert. Die Verlierer werden, wie gewöhnlich, die österreichischen Dichter und Schriftsteller, Photographen und Illustratoren, kurzum, alle jene sein, die das Gesicht des geistigen Oesterreichs bestimmen. Verlieren werden auch die, die sich dieses geistigen Oesterreichs angenommen haben.
Es wäre interessant, zu erfahren, ob irgend jemand dabei etwas profitiert.
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