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Du — „meine Güte“!

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Ein kleiner rotweißroter Zettel klebt auf dem Fenster des vorüberhuschenden Wagens. Ein kleines Mädchen drückt sein Stupsnäschen an das Schaufenster eines Spielwarengeschäftes. In einer alten, bekannten Buchhandlung begegnen wir ein drittes Mal dem ominösen rotweißroten Zettelchen. Der Briefträger bringt es mehrfach ins Haus.

Werbung also, landauf, landab, für die Oesterreich-Woche. Schüler schreiben Aufsätze in einem Wettbewerb, gewichtige und gewichtsstarke Männer aus der Politik und Wirtschaft halten Reden, im Rundfunk tönt sanft und unverdrossen die Werbeschalmei, und auch das Bundesheer meldet -sich lautstark und kräftig zu-.Wort. In Wien, Eisenstadt, Krems, Linz, Graz, Innsbruck, Klagenfurt, Salzburg und Bregenz finden Platzkonzerte statt in dieser „Oesterreich-Woche“ im Oktober 1959; Konzerte, die nicht alle verregnet werden wollen.

Was den Platzkonzerten recht ist, ist dieser ganzen Woche billig: Sie möchte nicht nur beredet werden, mit vollen Backen, wenn da so aus dem Munde unserer österreichischen Wirtschaftswunderkinder prustend und laut der Werberuf ertönt: „Kauft österreichische Qualität!“

Kauft österreichische Qualität? Zum Kuckuck, denkt sich da mancher, was soll denn das heißen? Jetzt, im späten Herbst, fängt man da für Oesterreichs Wirtschaft und Oesterreichs Waren zu werben an? Sind nicht die Tausende und Hunderttausende wohlbehalten und schön braun heimgekehrt aus dem hohen Sommer, haben Koffer und Wagen, Gattin und Kind behangen mit den schönen preiswerten Dingen - aus Italien. Andere Freunde, die es mehr nach dem Norden zieht, haben sich auf die Produkte anderer Industrien spezialisiert: vom Lippenstift - und Parfüm bis zum Rasierapparat, vom Mixer in der Küche bis zur Waschmaschine. Man hat sie im Ausland bestellt, und, wenn es ging, gleich mitgenommen, verzollt, unverzollt, die gute, die schöne, die teure Ware. Für Weihnachten hat man auch schon vorgesorgt...

Apropos, Weihnachten! Vielleicht kommt da die Oesterreich-Woche gerade zurecht als eine kleine Bitte, eine freundliche Aufforderung: Denkt zu Weihnachten, denkt beim Schenken, denkt beim täglichen Einkauf daran: Es gibt aikhMia.rii6terrewhische Qualität. Eine öster--reichische Qualität, die sich sehr wohl sehen j lassen kann neben den anderen Qualitäten anderer Länder. Wie komisch, fast ein bißchen tragikomisch ist das: Der gelernte Oesterreicher raunzt heute nicht mehr so viel und läßt sich auch gerne sehen in der großen Welt. Er hat keine Scheu davor, überall dort zu erscheinen, wo es hoch hergeht, wo es gut und teuer, ja sehr teuer ist; seine alte Scheu, sein Mißtrauen an die eigene Adresse — an sich eine schöne und gute Sache — hat sich, ganz still und unbemerkt, zurückgezogen in einen Schmollwinkel, in eine Falte des durchaus nicht einfältigen Herzens und Gehirns. Da funktioniert automatisch ein Hemmapparat: Wenn es bei einem Einkauf zu wählen gilt, wird automatisch der fremden Ware der Vorzug gegeben. Es „soll doch etwas Besseres sein“!

Jawohl, liebes österreichisches Wirtschaftswunderkind! Es soll etwas Besseres sein: erzeugt in Oesterreich. Oesterreich produziert heute Waren, die von kundigen Ausländern als einzigartig erkannt und anerkannt werden.

Eben darauf will die Oesterreich-Woche ein klein wenig aufmerksam machen: Kauft österreichische Qualität; denn es ist für uns alle wichtig, das Licht nicht unter den Scheffel zu stellen. Unsere Freiheit hängt auch an der Freude, mit der wir uns selbst helfen, indem wir, nicht zuletzt, österreichische Qualität sehen, anerkennen — und kaufen.

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