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DREI STERNE IN WASHINGTON

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Studiengruppen von Offizieren des österreichischen Bundesheeres sind nach verschiedenen Ländern aufgebrochen. Darunter auch nach den Vereinigten Staaten. Vieles gibt es zu sehen, neue Erkenntnisse zu verarbeiten. Und dann setzt sich eines Abends ein Hauptmann hin und schreibt einem Freund in der Heimat einen Brief. Er schreibt und schreibt — und was ein nüchterner Brief werden sollte, wird zu einem glühenden Bekenntnis. Es sei der Oeffentlichkeit nicht vorenthalten:

... Um aber zum Ernst zurückzukehren, kann ich nichts anderes sagen, als daß mein Aufenthalt hier in diesem Land zweifellos ein voller Erfolg ist. Ich habe sehr vieles geltrnt. nicht nur in militärischer Hinsicht, auch in allgemein bildender Hinsicht. Mein Gesichtskreis hat sich wesentlich vergrößert. Ich habe in diesem Lande imposante Erlebnisse gehabt, vor allem bei den Besichtigungen großer Fabriken und sonstiger wirtschaftlicher Einrichtungen. Die gewaltige Organisation, über die diese Armee verfügt, muß einem imponieren, ob man will oder nicht. Ich habe hier bestimmt sehr nette Leute kennengelernt, wenn ihre Unpersönlich-keit auch immer wie eine trennende Wand vor mir steht. Ich kehre jedenfalls heim mit einer reichen Erfahrung, mit reichem Wissen, mit der Erkenntnis, daß andere Leute auch etwas können und oft gescheiter sind, als man selbst ist. Ich kehre aber auch heim mit der viel tiefer gewordenen Erkenntnis, daß es nur ein Oesterreich gibt und daß nichts dieses Oesterreich ersetzen kann. Auch nicht als General möchte ich in diesem Land hier bleiben. Dieses Land ist unendlich groß, es ist sicher auch schön, es ist reich und hat vieles zu bieten. Oesterreich hat mehr zu bieten, und wir haben keinen Grund, nur im Geringsten irgendwelche Minderwertigkeitsgefühle zu haben. Was soll man sagen, wenn man hier alte Tschechen und Polen findet, die schon vor dem ersten Weltkrieg in die USA ausgewandert sind und in einer Fabrik arbeiten, die alles liegen und stehen lassen und einem nachlaufen und stolz sagen, wir sind Oesterreioher, und wir haben sofort an den drei Sternen erkannt: das ist ein österreichischer Hauptmann. Im Cine-rama von Washington haben wir auch einen von dieser Art getroffen, der hat im Grazer Hausregiment gedient und war ganz außer sich vor Freude, daß er noch einmal österreichische Offiziere sehen konnte. Oft sage ich mir: Du gutes altes Europa, was haben sie eigentlich hier aus deinem Geist gemacht? Jeder Dritte, den man trifft, hat Verwandte in Deutschland oder Oesterreich, und von Herrn Maier und Schneider bis zu Herrn Leutnant Heinzle findet man hier alle Namen, die man sich als Oesterreicher nur wünschen kann. Oh ja, man hat hier sehr viel von uns, wenn man uns auch heute auf die Schulter klopft und sagt „you will learn a lot in this country...“. Merkwürdiges Land, dieses Oesterreich. Seine Söhne lernen es mit all seinen Sitten, Bräuchen und Traditionen oft erst in der Ferne richtig lieben.

Die. in der Heimat sind da stets viel „großzügiger“.

Sie sollten es nicht sein. Sie sollten sich obigen Brief zu Herzen nehmen.

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