6698549-1963_18_01.jpg
Digital In Arbeit

Dr. Schärf

Werbung
Werbung
Werbung

Der neue alte Bundespräsident heißt Dr. Adolf Schärf! Mit einer eindrucksvollen Mehrheit von 2,473.694 Stimmen hat das Bundesvolk am vergangenen Sonntag das bisherige Staatsoberhaupt für weitere sechs Jahre in seinem hohen Amt bestätigt. Die absolute Mehrheit aller abgegebenen gültigen Stimmen plus einer Stimme, die das Gesetz verlangt, wurde im ersten Wahlgang erzielt. Aber nicht nur dies: Man kann ruhig die 176.649 Kimmel-Wähler sowie die 190.534 ungültigen Stimmen abziehen und — wenn man will — auch noch die 135.000 KP-Stimmen der letzten Nationalratswahlen subtrahieren, es bleibt noch immer ein Vorsprung von über 157.000 Stimmen. Wahrhaftig Grund genug zu der tiefen Rührung, von der Dr. Schärf nach Verlautbarung des Wahlresultates sprach und deren Echtheit federn seiner Worte deutlich anzumerken war. Bundespräsident Dr. Schärf sprach aber auch — und dies sei ihm hoeh angerechnet — zugleich Worte menschlicher und Männlicher Verbundenheit an die Adresse seines unterlegenen Gegenspielers, mit dem er einst in schweren Jahren als „zweiter Konsul“ zusammengearbeitet hatte.

Mit 1,813.787 Stimmen hat Julius Raab den 28. April gewiß ehrenvoll bestanden. Und doch hätte niemand lieber als wir dem in der Arbeit für dieses Land und seine Partei sich verzehrenden Altkanzler den Abend dieses Tages erspart. Doch der Publizist kann nur zeitgerecht warnen, der Rest ist Sache der Politik. Wir haben ersteres wohl getan, wir haben dem unguten Gefühl, das uns von allem Anfang an nicht verlassen wollte, mehr als nur einmal unverhohlen Ausdruck gegeben und auch zeitgerecht Wege aufgezeigt, die mit ein wenig Phantasie wohl zu beschreiten gewesen wären. Die Politik ging lieber ausgetretene Pfade — in die Niederlage. Und sie zog in diese einen Mann hinein, dessen Name für ein solches politisches Vabanquespiel der Volkspartet eigentlich hätte zu teuer sein müssen. Grund genug, um vor diesem Opfergang — und ein solcher war es, machen wir uns nichts vor — Julius Raabs noch einmal besonderen Respekt zu bezeugen.

Von wo aber kam der mächtige, die üblichen Parteigrenzen sprengende Durchbruch der Wählersympathien für Bundespräsident Dr. Schärf? Nicht zuletzt aus der allen Lagern gemeinsamen „konservativen Grundhaltung“ des österreichischen Wählers. Den Bundespräsidenten Dr. Schärf hatte man in sechs Jahren kennengelernt. Er war ein sicherer Posten in der Rechnung. Dr. Schärf hatte auch bei jeder Gelegenheit zur Zusammenarbeit auf der Basis der letzten achtzehn Jahre aufgerufen. Diese scheint bei den Wählern doch mehr Sympathien zu finden als man in bestimmten Kreisen der Volkspartei bisher glauben wollte.

176.649 Stimmen für Dr. Kimmel sind gewiß besser als 21.530 für die EFPÖ. Allein man verwechsle nicht leichtfertig die beiden. Das hat einmal schon die VdU mit den Burghardt-Breitner Stimmen getan und dafür später bitter gezahlt. Überlegungen über Parteidisziplin und ihre Grenzen wird man ohne Zweifel im Lager der Freiheitlichen anstellen. Von 313.895 FPÖ-Wählern folgten nur 190.534 der „weißen Parole“ — selbst wenn man alle ungültigen Stimmen für die FPÖ reklamieren wollte.

Bundespräsidentenwahlen sind Persönlichkeitswahlen Das hat sich klar gezeigt. Bundespräsidentenwahlen sind in Österreich aber immer auch Parteiwahlen, auch diese These stimmt mit einigen Einschränkungen. Eine Standortüberprüfung ist zu erwarten.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung