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Gleiches Recht für alle

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Israelische Kinder sind nur dann israelische Staatsbürger, wenn sie eine jüdische Mutter haben. So wurde das im Judenstaat seit 22 Jahren von Juden gegenüber NichtJuden gehandhabt. Offizier Benjamin Schaut heiratete 1962 eine Schottin und hatte mit ihr zwei Kinder, denen die Staatsbürgerschaft verweigert wurde. Konnte man den kleinen Schotten trauen? Schaut ging bis zum Obersten Gerichtshof, der ihn mit Ja beschied. Der Oberste Gerichtshof war aber anscheinend nicht wirklich der alleroberste Gerichtshof. Das israelische Kabinett machte aus diesem Präzedenzfall eine Ausnahme zu der obengenannten Regel. Der Staat Israel verweigert weiterhin den Kindern aus seinen 12.000 religiösen Mischehen die Staatsbürgerschaft und damit auch das Wahlrecht, die Vorteile, die ein Inländer gegenüber einem Ausländer besitzt und die Beamtenkarriere. Die Schotten und alle anderen Fremden waren den Rabbinern suspekt, und in Israel gehört das letzte Wort den Rabbinern. — Würde man sie danach fragen, würden die Rabbiner sagen, daß sie schriftlich überlieferte Order hätten, an die sie sich hielten. Es wäre aber vielleicht doch besser, die Rabbinokratie in der Synagoge zu belassen. Man muß sich darüber im klaren

sein, daß Israel nicht dank historischer Argumentationen existiert und auch kein Land von Gottes Gnaden ist — es behauptet sich einzig und allein dank seiner militärischen Stärke. Israel führt keinen Helligen Krieg, Mosche Dayan ist nicht General Gottes auf Erden; der Nahostkonflikt ist der Selbstbehauptungskampf Israels. Man versteht daher die Pragwürdigkeit der religiösen Tarnkappe Israels, die durch den Fall Schalit sichtbar gemacht wurde. Es bestand kein Grund, den zwei schottischen Kindern die israelische Staatsbürgerschaft zu verweigern, weil sie etwa die religiöse Einheit Israels „aufweichen“ würden. Denn die Einheit Israels ist und sollte keine religiöse, sondern eine territoriale und militärische sein.

*

Für den großen Sieger des Nahostkrieges 1967 hält sich der Staat Polen. Das manifestierte sich in den gründlichsten Säuberungsaktionen seit dem letzten großen Sieg Polens. 1968 war dann das Jahr des Sieges — besiegt wurden die Zionisten. Nicht die Juden, sondern die Zionisten, so wie Israel die Schotten und nicht die Christen besiegt hat. Zionisten in Polen sind Leute, die einer Gemeinschaft angehören, die außerhalb Polens staatlich organisiert ist und außerdem von

den Imperialisten unterstützt wird. Weiters ist in Polen die Parteimeinung die Vertreterin des allgemeinen Interesses, daher sind Leute, die nicht auf der Par-teüinie stehen, dem allgemeinen Interesse schädlich. Da sich nun Polen im Nahostkrieg auf die Seite der arabischen Staaten gestellt hat, sind die Zionisten „Verräter“ an der öffentlichen Meinung und daher nicht befugt, ein öffentliches Amt auszuüben. Es stellte sich in Polen die Frage, wer ist ein Zionist und wer ist keiner? Es ist nicht schwer zu erraten, die richtige Antwort war: die Juden sind Zionisten, die NichtJuden sind keine Zionisten. Staatsfeinde erkannte man ganz deutlich an der Religion. In Polen wird man als Zionist geboren und dann auch verfolgt; wer eine zionistische Mutter hat, kann kein loyaler Pole sein. Israel sollte daher nicht mit polnischer Mathematik Gruppen von Menschen aus der Gemeinschaft ausschließen. Israel ist kein freiwilliges Ghetto. Was in Polen die Parteilinie ist, sollte die jüdische Religion in Israel nicht werden. Die Exklusivität und Reinheit der jüdischen Religion und des Staates Israel sind durch Andersgläubige oder Menschen fremder Herkunft so wenig bedroht, wie Polen es durch die Zionisten ist. „Der Fremde soll sich bei uns wohl fühlen!' sagt in Herzls,Altneuland“ der Präsident Eichenstamm.

Der Autor dieses Beitrags, Student an der Wiener Universität, ist der Sohn unseres langjährigen Mitarbeiters, des 1968 'erstorbenen Israel-Korrespondenten Alexander Charim.

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